Sonntag, 8. Juni 2025 – Vatertag

Letztes Jahr habe ich einen kurzen Text auf Instagram veröffentlicht – eines der ersten Male, dass ich die Welt an meinen Gedanken teilhaben ließ. Dieses Jahr gebe ich euch einen Einblick hinter die Kulissen.

Ironischerweise dachte ich kurz daran, „meine schönste Kindheitserinnerung an oder mit meinem Vater“ mit euch zu teilen. Doch ich musste feststellen, dass es so etwas nicht einmal ansatzweise gibt. (Da war sogar ich eine Sekunde lang überrascht – geb ich ehrlich zu.)

Generell tue ich mir, ehrlich gesagt, schwer damit, schöne Erinnerungen aus meiner Kindheit oder Jugendzeit zu finden. Das Schönste an dieser Zeit – und generell in meinem Leben – ist meine Mama. Aber ein Text für diese tolle Frau ist heute nicht meine Intention.

Im ganzen Brainstorming, worüber ich heute schreiben könnte, bin ich gedanklich mehrmals im Kreis gelaufen. Bis ich beschloss, einfach eine Art Sneak Peek ins Leben von Ines zu teilen.
Ganz persönlich und ungefiltert. Eine erweiterte Vorstellungsrunde für alle,
die mich (noch) nicht so gut kennen.

Ich bin die Jüngste von drei Kindern – die „Nachzüglerin“, das „Küken“.
Die ungeplante und finale Erweiterung unserer Familie.
Meiner Meinung nach wurde einfach um dringende Unterstützung für meine Mama gebeten
– und hier war ich auch schon.
Die Jüngste, um die man sich nie Sorgen machen musste, weil schlichtweg keine Zeit dafür da war.
Der Buhmann für andere Familienmitglieder – ein Boxsack hat in unserer Familie wohl noch gefehlt.
Das altbekannte schwarze Schaf – immer anders, schon immer komisch, und immer allein.

Die Jüngste, die ehrlich gesagt nie Kind sein durfte – als wäre ich mit Führerschein und Personalausweis auf die Welt gekommen. Gerade erst hier, und schon erwachsen. Keine Zeit für kindische Träume.
Die Beschützerin meiner Mama – eine Rolle, in die ich mich freiwillig begeben habe.
Als wäre es das Natürlichste auf dieser Welt.
Und natrülich, der größte Feind meines Vaters – das verstand ich erst Jahre später.
Stimmig zum Vatertag, oder?

Mein Vater – der in mir etwas sah, das er zerstören wollte.
Oder vielleicht sah er auch einfach gar nichts mehr, zwischen all den Bierflaschen, wer weiß.
Mein Vater – der Mann, der mir zeigte, was ein richtiger Mann NICHT sein sollte.
Der Mann, der wie ein Schatten bleibt – auftaucht, wenn Panik in mir hochkriecht oder ich wieder einmal tiefer sinke als gedacht.
Der Mann, den ich vor mir sehe, wenn ich wütend bin – denn erst in diesen Momenten fühle ich mich wie dein Kind. Und in genau solchen Momenten hasse ich mich selbst am allermeisten.

Der Mann, der mir zeigte, dass „Nein“ nur ein Wort ist, das ignoriert wird.
Dass die eigene Meinung nicht zählt.
Dass es nie um Frauen ging – nur um Macht. Egal wie jung. Egal wie alt.
Dass Familie nur eine Fassade ist, die um jeden Preis aufrechterhalten werden muss.
Dass man seine Hände eher hebt, um zu verletzen, als um zu halten – vor allem bei den Menschen, die zu nah dran sind.

Mein Vater hat mir beigebracht, dass es nicht reicht, selbst zu fallen
– man muss andere mitziehen, um den eigenen Abgrund bewohnbar zu machen.
Dass Schmerz erst erträglich wird, wenn man ihn teilt – nicht durch Worte, sondern durch Wunden, die man anderen zufügt.
Aber: Die Schuld trägt man nie selbst.
Mein Vater hat mir gezeigt, dass man alles rechtfertigen kann – solange man sich selbst zum Opfer erklärt.
Man muss nur überzeugend lügen.
Geschickt manipulieren.
Dann kommt man durch – irgendwie.

„Es gibt nicht zu viele Probleme – nur zu wenig Alkohol“, würde er vermutlich sagen.
Er – der die Meinung vertritt, dass der lauteste Mann der stärkste und schlauste ist.

Und trotzdem … habe ich es auch heute nicht in mir, diesen Mann zu hassen.
Denn niemand hasst ihn mehr als er sich selbst. Und genau dieser Hass ist sein ewiger Fluch.

Und die größte Strafe für so einen Menschen?
Tag für Tag mit sich selbst leben zu müssen.

Und so, wie ich die Wut als Teil von mir angenommen habe – habe ich auch dich akzeptiert.
Denn ohne dich gäbe es mich nicht.
Und vielleicht wäre ich dann jemand ganz anderer geworden.
Wer weiß, ob ich heute dieselbe Stärke in mir trage.
Ob ich dieselbe Klarheit hätte.
Manchmal liegt Sinn nicht im Erlebten,
sondern im Überleben.

Im nächsten Leben wünsche ich dir Heilung.
Und mir – dass ich nie wieder Teil deiner Geschichte sein muss.

Alles Liebe zum Vatertag!

🌗„Warum gute Zeiten manchmal schwerer sind als schlechte“

Das Ding mit Depressionen ist – zumindest nach meinen Erfahrungen – dass zu viel Serotonin ein Trigger sein kann.
Das klingt im ersten Moment vielleicht paradox. Ist es vermutlich auch. Aber lass mich das mal aus meiner Perspektive erklären.

Zurzeit reihen sich bei mir kleine Erfolge aneinander. Natürlich ist nicht alles nur gut und positiv, aber ich würde sagen, dass ich gerade eine gute Phase habe. Ich bin produktiv, erreiche Ziele, merke, wie sich mein Weg zusammenfügt, wie ich meine Stimme finde. Ich tue Dinge, die mir Freude machen, habe einen Alltag gefunden, der mir guttut. Es gibt Routinen, aber auch Platz für Spontanität – und um mich herum passieren spannende Dinge.
Gerade sind da viele positive Emotionen.

Und trotzdem ist da dieser Stein in der Magengrube.
Ein Klotz, der mich nach unten zieht.
Ein Gefühl von Leere und Überforderung zugleich.

Fast so, als stünden meine Gedanken im ständigen Kampf miteinander.

Und genau das ist es, was Heilung ausmacht – zumindest für jemanden mit Depressionen:
Ein inneres Gerangel zwischen endlich glücklich sein dürfen – und der Angst davor.

Fast so, als würde man es sich selbst nicht gönnen.
Als wäre es zu gut, um wahr zu sein.
Das vorhersehbare Ende jeder guten Phase – ein Automatismus, an den man sich irgendwann gewöhnt.
Ein Schutzmechanismus, der uns aufs Schlechteste vorbereitet – bis wir anfangen, genau das zu erwarten, es regelrecht zu suchen.

Niemand bereitet uns darauf vor. Niemand sagt uns, wie wir damit umgehen sollen.

„Ach, die Vergangenheit ist vorbei – schließ doch einfach damit ab.“
Das ist vermutlich eine der häufigsten Floskeln, wenn man mit jemandem darüber spricht.

Aber was, wenn das „Abschließen“ gar nicht das Problem ist?

Was, wenn da seelische Narben sind – battle scars, wie man sie sonst nur von Veteranen kennt.
Im Film sagt dann niemand: „Schließ damit ab.“
Da heißt es eher: „Der ist fürs Leben gezeichnet.“
Und das ist ja auch nicht falsch.

Aber was, wenn es Menschen mit emotionalem Trauma ganz ähnlich geht?
Nur denkt daran kaum jemand.
Viele denken ohnehin nicht weiter als bis zur Tischkante – wenn wir ehrlich sind.

Während ich das hier schreibe, klingt es fast so, als hätte ich eine Antwort.
Aber ehrlich gesagt: Ich weiß nicht, ob es überhaupt eine gibt.

Natürlich werde ich weiterhin nach Wegen suchen, nach Tools und Tricks – bei mir selbst, in Gesprächen, in Büchern.
Und wenn mir etwas hilft, teile ich das gern.

Aber heute – hier und jetzt – wollte ich die Katze einfach mal aus dem Sack lassen.
Vielleicht wird es leichter, wenn dieser Kloß ein bisschen frische Luft bekommt.
Wenn wieder Platz zum Fühlen da ist.

Es ist spannend, wie unser Nervensystem funktioniert.
Muscle Memory – nur eben für Emotionen.

Ich würde es nennen: die Angst vorm Glücklichsein.

Wenn mich jemand fragen würde, wie ich mit diesen Momenten umgehe – mit diesem Gefühl, wenn die Depression wieder an der Tür klopft oder durchs Fenster späht –
dann würde ich sagen:
Tritt der Angst ohne Angst entgegen.

Behandle sie nicht als Feind.
Lass sie herein.
Setz dich mit ihr an den Tisch.
Vielleicht sogar auf eine Tasse Tee.

Denn was haben wir immer wieder gelernt?
Angst ist kein Monster – sie ist ein Wegweiser.
Ein inneres Kind, das einfach nicht weiß, wohin mit sich.

Also: Fangen wir doch einfach mal damit an, ein inspirierender Erwachsener zu sein.
Jemand, der für all diese Ängste einen sicheren Raum schafft.
Einen Ort, an dem sie endlich zur Ruhe kommen dürfen.