🌼 Der Frieden, der nicht von dir kam

Zeilen aus meinem Danach

Mittlerweile sind Jahre vergangen, und dennoch fühlt es sich manchmal an, als wäre es gestern gewesen. Manchmal frage ich mich, warum manche Erinnerungen so hartnäckig bleiben – als hätten sie sich in die Knochen eingebrannt. Für dich allerdings steht das Buch noch immer weit offen.
Ob du jemals wirklich abschließen kannst? Ich bezweifel es inzwischen stark.
Und manchmal tut es mir leise leid, still und ohne Vorwurf.

Egal wie viel Zeit vergeht und wie sehr du dir selbst einredest, dich verändert zu haben, wie sehr du mir den Glauben aufdrängen möchtest, du seist nun ein anderer Mensch:
Für mich wirst du immer der bleiben, der du damals warst.

Ich werde dich nicht mehr mit warmen Augen ansehen können, und Vertrauen wird es zwischen uns nie mehr geben. Du hattest deine Chance – eigentlich hattest du viele davon. Eine nach der anderen habe ich dir gegeben, ohne Bedingungen, ohne Grenzen. Immer wieder.
Und nie hast du sie genutzt, nie gezeigt, dass du sie wert warst.

Ich wünsche dir wirklich nichts Schlechtes. Ich möchte nicht, dass du leidest. Ich hasse dich nicht – nicht einmal im Ansatz. Es ist ein stilles Nichtgefühl. Und irgendwann auf dem Weg meiner eigenen Heilung habe ich dir vergeben. Leise. Mit ehrlichem Herzen. Für all die Jahre, die Schmerzen, die Albträume.

Doch zurück in mein Leben wirst du niemals finden. Da ist kein Platz mehr – nicht mal ein Winkel. Und es ist das erste Mal in meinem Leben, dass mich dieser Gedanke nicht traurig macht. Ich vermisse dich nicht. Ich bin nicht enttäuscht, dass du nicht mehr da bist. Ich möchte dich einfach nie wiedersehen.
Eine ruhige Entscheidung.

Ich hoffe nur, dass du irgendwann ehrlich zu dir selbst sein kannst. Dass du erkennst, wie verletzend du zu mir warst, wie wenig echte Gefühle zwischen uns existierten. Und wenn dieser Moment kommt, wünsche ich dir trotzdem, dass du nicht darin verharrst. Nicht jahrelang mit Schuld kämpfst. Sondern dass du loslässt – mich, uns, alles. Dass du auch dir selbst verzeihen kannst.

Du hast mich nicht nur gebrochen – du hast mich aus mir selbst gerissen. Immer wieder. Und doch konntest du es nicht ertragen, dass mein Herz nicht ganz zerbrach. Dass ich trotz allem gut blieb.
Du wolltest mich nicht halten, aber du konntest mich auch nicht freigeben.

Ich wollte nur das Gute in dir sehen. Wollte Hoffnung finden, irgendein kleines Zeichen. Und du hast dich an meiner Gutmütigkeit festgehalten, an meinem Vertrauen, meiner Liebe, meiner Freundschaft.
Weil du wusstest, dass ich nicht gehe. Und ich blieb.

Ein Spiel, das sich unendlich anfühlte.
Ein leiser Kampf im Hintergrund meines Lebens.

Wenn ich heute zurückblicke, sehe ich Muster, die ich damals nicht erkennen konnte. Du erinnerst mich an jemanden. Vielleicht schon damals. An den einen Menschen aus meinem Leben, der dir so ähnlich ist wie kein Anderer: meinen Vater.

Und wie bei ihm sehe ich heute klarer, was hinter deiner Fassade lag. Nicht der Wolf, für den du dich hieltest, sondern ein unsicherer Junge, der sich selbst am meisten fürchtete, der sich selbst am meisten hasste. Und wie meine Mutter wollte ich dich retten. Wollte dir mit all meiner Kraft helfen.
So sehr, dass ich mich selbst verlor.

Doch irgendwann wachte ich auf. Früher als gedacht. Ich riss mich aus den Ketten – und ja, es tat weh. Wunden, die Zeit brauchten. Aber ich habe den Absprung geschafft.

Ich musste erkennen, wer du wirklich bist. Musste mich befreien.
Ich musste sehen, dass du nicht der Mensch bist, der du vorgibst zu sein. Deine Fassade flackerte,
und das, was dahinter auftauchte, war nur ein Schatten – weit entfernt von Wahrheit.
Und auch das war erst der Anfang.

Heute gibt es Schatten von damals. Ich heile noch – vielleicht noch lange. Aber ich bin hier. Und ich habe dich überlebt. Ein Teil von mir ist zurückgeblieben, hat mir die Tür zu meinem neuen Leben aufgehalten. Ein anderer ist gestorben, damit ich neu entstehen konnte.

Albträume, Panik, die Angst vor Nähe – all das begleitet mich manchmal noch. Und ja… ich habe überlebt, aber nicht ohne einen Preis.
Noch immer zucke ich zusammen, wenn jemand laut wird, wenn Bewegungen zu schnell sind, wenn Gesten in meiner Nähe zu abrupt passieren. Mein Körper schreitet wie von selbst einen Schritt zurück, bevor ich überhaupt darüber nachdenke. Nähe fühlt sich oft fremd an; sie lässt mein Herz stolpern, und irgendwo tief in mir steigt dann diese leise Panik hoch, die ich so gut kenne.

Manchmal fällt mir selbst das Atmen schwer, in Momenten, in denen ich es am wenigsten erwarte – wie eine Erinnerung, die aus dem Nichts an mir hochzieht.
Als hättest du damals eine Klingel in mir hinterlassen, ein Signal, das sich festgebissen hat, weil du mich nie loslassen konntest… und es irgendwo in dir vielleicht immer noch nicht kannst.

Und doch wächst in mir jeden Tag etwas Neues. Etwas Leises, Warmes. Etwas, das nicht von dir stammt.
Ich werde vielleicht nie vollständig heilen – und auch das ist okay.

Ich wünsche dir nicht die Dunkelheit, die ich erlebt habe.
In mir ist kein Zorn, nicht einmal ein bitterer Nachgeschmack.
Nicht, weil du mir noch etwas bedeutest – sondern genau, weil du es nicht mehr tust.

Du bist mir egal geworden.
Ein seltenes Gefühl in meinem Leben. Ein leises Wunder.

Manchmal kann ich es selbst kaum glauben. Und doch bin ich stolz auf mich.
Auf die Frau, die ich geworden bin. Auf den Weg, den ich überlebt habe.

Und obwohl ich die Ines von damals zurücklassen musste, denke ich oft still an sie.
Ich wünschte, sie könnte sehen, wie weit wir gekommen sind. Dass unser Leben weitergegangen ist.
Dass wir unser Licht wiedergefunden haben, und dass es heute heller strahlt als alles,
was uns jemals verdunkelt hat.

Danke an mich selbst, dass ich nicht aufgegeben habe.
Und danke an dich – denn ohne dich hätte ich nie erfahren, wie stark ich wirklich bin.

Auf nie mehr Wiedersehen.
Nicht in diesem, und nicht im nächsten Leben.