Ich bin jetzt 26 und endlich mental an einem sicheren und guten Ort. Schlechte Tage gehören immer zum Leben dazu, und die guten Tage sind dann meistens umso besser. Aber ich bin nun seit längerem in der Lage, neutral über mein bisheriges Leben zu reflektieren – ohne mich davon in ein Loch ziehen zu lassen.
Bereuen war für mich nie eine Option. Ich bereue nichts, was ich getan habe oder was mir passiert ist, weil alles seinen Sinn und Zweck hatte. Alles hat mich wachsen lassen und mich stärker zurückkehren lassen. Jammern, wenn es mir mal schlecht ging, lag mir noch nie. Vielleicht ein Nebeneffekt meiner „Hyper-Unabhängigkeit“ – oder einfach ein persönliches Merkmal meiner selbst.
In letzter Zeit denke ich jedoch immer öfter an meine Kindheit und Jugend zurück. Oder besser gesagt daran, dass ich diese eigentlich nie wirklich hatte. Kind sein durfte ich nie, und genauso ging es in meiner Jugend weiter. Ehrlich gesagt kenne ich nichts so gut wie das Erwachsensein.
Und diesem Verlust trauere ich heute manchmal nach – meiner Kindheit und Jugend, die ich für andere aufgeopfert habe. Natürlich gab es kurze Momente, kleine Einblicke in das, was hätte sein können. Doch sie fühlten sich eher wie Filmszenen an, nicht wie mein eigenes Leben.
Kein Wunder also, dass so lange ein innerer Kampf in mir tobte. Das Kind und die Jugendliche in mir waren wütend und verletzt. Lange habe ich sie ignoriert und ihnen gesagt: „Ich komme später auf euch zurück.“ Aber irgendwann war klar: Später kommt nicht von allein.
Früher habe ich mein Chaos versteckt, Kisten gestapelt, Räume gewechselt – und mich doch von der Unordnung erdrücken lassen. Heute will ich Stück für Stück ein Zuhause schaffen in meinem Kopf: ein Gedankenschloss, in dem all meine Erfahrungen, Gefühle und Versionen von mir einen Platz haben.
Dazu gehört auch ein Raum für das Kind in mir, das nie spielen durfte. Ich darf mir heute meine Kindheit erträumen – eine, die ganz meinen Vorstellungen entspricht. Eine, in der ich glücklich bin, beschützt und frei. Das Kind in mir darf Frieden finden mit dem, was war, und durch das, was hätte sein können. Lang genug war es stark – jetzt übernehme ich.
Und tatsächlich merke ich oft erst im Nachhinein, wie mein inneres Kind geheilt wird: durch Hobbys, durch Menschen, durch kleine Herzensmomente. Stück für Stück kommt das Licht zurück.
Mein Teenager-Ich war die wütendste Version von mir. Wir sind uns lange aus dem Weg gegangen. Ich wollte nichts von ihr wissen, und sie verabscheute mich. Ihre Geschichte ist eigentlich einen eigenen Blogpost wert – oder mehrere. Alles Schlechte, was mir damals passierte, ertränkte ich in Alkohol oder erstickte es unter Drogen. Nicht meine stolzeste Zeit, aber auch ein Teil von mir, der nur Liebe wollte.
Ich wollte den Schmerz taub machen. Doch irgendwann streikte mein Körper – und da erkannte ich, wie viele Schutzengel ich wohl hatte. Das Universum muss selbst im kleinsten Funken noch etwas gesehen haben. „Hier ist noch nicht Schluss, da steht noch etwas offen.“
Natürlich sind aus dieser Zeit Narben geblieben – seelisch wie körperlich. Manche Schäden werden mich mein Leben lang begleiten. Aber sie erinnern mich auch daran, wie weit ich schon gekommen bin und dass Aufgeben nie eine Option war.
Heute kann ich meinem Teenager-Ich wieder begegnen. Wir sitzen am selben Tisch, sprechen miteinander. Die Wut ist nicht verschwunden, manchmal stärker, manchmal schwächer – aber sie darf jetzt Raum haben. Auch sie baut sich ein Zuhause, in dem alles Platz hat.
Und so gehen wir die Reise gemeinsam weiter. Tag für Tag lernen wir uns neu kennen. Und ja – auch mit 26 ist es okay, immer wieder neu anzufangen, wenn man sich in einer Sackgasse befindet. Alles, nur nicht aufgeben.
Meine Geschichte will erzählt werden. Kein Trauerwerk, keine Protzgeschichte – kein Wettkampf. Nur ein Stück Realität in dieser Scheinwelt, die Mut machen soll. Mut, nicht aufzugeben. Mut, das Gefühl von Gemeinsamkeit zurückzubringen in einer Welt, in der so viele glauben, sie müssten alleine kämpfen.
Das ist meine Mission. Das ist mein Traum.