Letztes Jahr habe ich einen kurzen Text auf Instagram veröffentlicht – eines der ersten Male, dass ich die Welt an meinen Gedanken teilhaben ließ. Dieses Jahr gebe ich euch einen Einblick hinter die Kulissen.
Ironischerweise dachte ich kurz daran, „meine schönste Kindheitserinnerung an oder mit meinem Vater“ mit euch zu teilen. Doch ich musste feststellen, dass es so etwas nicht einmal ansatzweise gibt. (Da war sogar ich eine Sekunde lang überrascht – geb ich ehrlich zu.)
Generell tue ich mir, ehrlich gesagt, schwer damit, schöne Erinnerungen aus meiner Kindheit oder Jugendzeit zu finden. Das Schönste an dieser Zeit – und generell in meinem Leben – ist meine Mama. Aber ein Text für diese tolle Frau ist heute nicht meine Intention.
Im ganzen Brainstorming, worüber ich heute schreiben könnte, bin ich gedanklich mehrmals im Kreis gelaufen. Bis ich beschloss, einfach eine Art Sneak Peek ins Leben von Ines zu teilen.
Ganz persönlich und ungefiltert. Eine erweiterte Vorstellungsrunde für alle,
die mich (noch) nicht so gut kennen.
Ich bin die Jüngste von drei Kindern – die „Nachzüglerin“, das „Küken“.
Die ungeplante und finale Erweiterung unserer Familie.
Meiner Meinung nach wurde einfach um dringende Unterstützung für meine Mama gebeten
– und hier war ich auch schon.
Die Jüngste, um die man sich nie Sorgen machen musste, weil schlichtweg keine Zeit dafür da war.
Der Buhmann für andere Familienmitglieder – ein Boxsack hat in unserer Familie wohl noch gefehlt.
Das altbekannte schwarze Schaf – immer anders, schon immer komisch, und immer allein.
Die Jüngste, die ehrlich gesagt nie Kind sein durfte – als wäre ich mit Führerschein und Personalausweis auf die Welt gekommen. Gerade erst hier, und schon erwachsen. Keine Zeit für kindische Träume.
Die Beschützerin meiner Mama – eine Rolle, in die ich mich freiwillig begeben habe.
Als wäre es das Natürlichste auf dieser Welt.
Und natrülich, der größte Feind meines Vaters – das verstand ich erst Jahre später.
Stimmig zum Vatertag, oder?
Mein Vater – der in mir etwas sah, das er zerstören wollte.
Oder vielleicht sah er auch einfach gar nichts mehr, zwischen all den Bierflaschen, wer weiß.
Mein Vater – der Mann, der mir zeigte, was ein richtiger Mann NICHT sein sollte.
Der Mann, der wie ein Schatten bleibt – auftaucht, wenn Panik in mir hochkriecht oder ich wieder einmal tiefer sinke als gedacht.
Der Mann, den ich vor mir sehe, wenn ich wütend bin – denn erst in diesen Momenten fühle ich mich wie dein Kind. Und in genau solchen Momenten hasse ich mich selbst am allermeisten.
Der Mann, der mir zeigte, dass „Nein“ nur ein Wort ist, das ignoriert wird.
Dass die eigene Meinung nicht zählt.
Dass es nie um Frauen ging – nur um Macht. Egal wie jung. Egal wie alt.
Dass Familie nur eine Fassade ist, die um jeden Preis aufrechterhalten werden muss.
Dass man seine Hände eher hebt, um zu verletzen, als um zu halten – vor allem bei den Menschen, die zu nah dran sind.
Mein Vater hat mir beigebracht, dass es nicht reicht, selbst zu fallen
– man muss andere mitziehen, um den eigenen Abgrund bewohnbar zu machen.
Dass Schmerz erst erträglich wird, wenn man ihn teilt – nicht durch Worte, sondern durch Wunden, die man anderen zufügt.
Aber: Die Schuld trägt man nie selbst.
Mein Vater hat mir gezeigt, dass man alles rechtfertigen kann – solange man sich selbst zum Opfer erklärt.
Man muss nur überzeugend lügen.
Geschickt manipulieren.
Dann kommt man durch – irgendwie.
„Es gibt nicht zu viele Probleme – nur zu wenig Alkohol“, würde er vermutlich sagen.
Er – der die Meinung vertritt, dass der lauteste Mann der stärkste und schlauste ist.
Und trotzdem … habe ich es auch heute nicht in mir, diesen Mann zu hassen.
Denn niemand hasst ihn mehr als er sich selbst. Und genau dieser Hass ist sein ewiger Fluch.
Und die größte Strafe für so einen Menschen?
Tag für Tag mit sich selbst leben zu müssen.
Und so, wie ich die Wut als Teil von mir angenommen habe – habe ich auch dich akzeptiert.
Denn ohne dich gäbe es mich nicht.
Und vielleicht wäre ich dann jemand ganz anderer geworden.
Wer weiß, ob ich heute dieselbe Stärke in mir trage.
Ob ich dieselbe Klarheit hätte.
Manchmal liegt Sinn nicht im Erlebten,
sondern im Überleben.
Im nächsten Leben wünsche ich dir Heilung.
Und mir – dass ich nie wieder Teil deiner Geschichte sein muss.
Alles Liebe zum Vatertag!