🎂 Ein Tag wie jeder andere, und doch ein Schritt näher zu mir

Jetzt, wo der Tag schön langsam aber sicher wieder näher rückt, möchte ich noch einmal ein Kapitel aus meiner Kindheit festhalten. Dinge, die mich bis heute prägen – Erfahrungen, die laut in mir nachhallen und mich jedes Jahr aufs Neue besuchen, um zu prüfen, ob die alten Wunden inzwischen verheilt sind.

Geburtstage.
Eigentlich ja ein Tag wie jeder andere – so lautet zumindest meine Standardantwort. „Ich mag meinen Geburtstag nicht“, sage ich jedes Jahr wieder, beinahe schon automatisch. Ich versuche stets, diesen Tag so anonym wie möglich zu halten: unbemerkt, versteckt, leise. Vielleicht, denke ich mir, kann ich mich einfach still und heimlich durchschlängeln, ohne dass jemand etwas merkt.

Dieses Jahr möchte ich ehrlich sein. Zu mir – und zu allen anderen. Endlich aussprechen, was seit Jahren in mir schlummert. Das Versteckspiel mit mir selbst beenden.

Denn eigentlich hasse ich meinen Geburtstag gar nicht.
Eigentlich finde ich Geburtstage sogar schön.

Ich habe mich immer auf die Geburtstage meiner Liebsten gefreut. Eine meiner Liebessprachen ist es, Geschenke zu machen. Ich liebe es, die Menschen zu feiern, die ich liebe. Ihnen eine Freude zu bereiten. Ihnen einen schönen Tag zu schenken. Ich backe gerne, bastle gerne, schenke von Herzen.

Nur meinen eigenen Geburtstag finde ich nie schön. Immer dasselbe mulmige Gefühl im Magen, dieser schwere Klotz auf meinem Herzen und der Reflex, mich zu verstecken. Ich kann Geschenke genauso schwer annehmen wie Komplimente, und ich möchte eigentlich nie der Mittelpunkt eines Tages sein. Die Aufmerksamkeit darf gern bei den anderen bleiben – das Gefühl, gefeiert zu werden, ist mir schlicht fremd.

Jedes Jahr bin ich wieder das kleine Mädchen, das zum ersten Mal eine „Party“ mit seinen Freunden feiern wollte.
Ich habe eifrig alle aus meiner Volksschulklasse eingeladen, keiner durfte fehlen. Die Einladungen habe ich mit voller Vorfreude gebastelt – ich wollte, dass wir gemeinsam feiern, spielen, lachen. Meine Mama und ich haben Tage davor schon geplant. Ich war so aufgeregt, so gespannt auf meine erste richtige Party.

Und dann kam der Tag.
Ich war schon munter, bevor Mama mich überhaupt weckte. Wir bereiteten alles vor: Essen, Tische und Stühle im Garten, Dekoration, die Torte – alles war bereit. Es fehlten nur noch die Gäste.

Ich erinnere mich genau, wie mein Bauch beim Warten immer schwerer wurde. Ob sich alle einfach verspäten? Ob sie unser Haus nicht finden? Für diesen Fall hatten wir extra bunte Ballons an den Straßenlaternen befestigt. Vielleicht haben sie die Uhrzeit verwechselt. Vielleicht den Tag. Die Zeit verging. Und verging.
Aber niemand kam.

Und obwohl ich damals noch so klein war, erinnere ich mich bis heute an den Blick meiner Mama – wie ein kleines Stück ihres Herzens mit meinem zerbrach.

Ich wollte mir einreden, dass es zumindest jemanden geben muss, der wirklich mein Freund ist. Dass die anderen nur gemein sind, weil sie „lustig“ sein wollen. Doch in diesem Moment habe ich zum ersten Mal wirklich gespürt, dass mich niemand als Freundin sah. Dass es niemanden gab, der es feiern wollte, dass ich hier bin.

Wir saßen noch lange da. Still, wartend – als würde jede Bewegung alles endgültig zerbrechen lassen. Ich schämte mich so sehr, konnte Mama kaum ansehen, weil ich so falsch gelegen war mit allem. Ich dachte wirklich, wenigstens einer würde kommen. Und ehrlich gesagt: Das hätte mir gereicht. Ein kleines Zeichen. Ein Funken Hoffnung, dass ich vielleicht doch nicht das stille, unscheinbare Mädchen bin, das keiner mag.

Irgendwann stand Mama auf und holte Oma und Opa aus dem Haus – eine Art Fallschirm für meine Gefühle. Auch die Hunde durften endlich raus. Es war klar: Niemand würde kommen.

Und von diesem Tag an fand ich meinen Geburtstag nie wieder toll. Nie wieder einen Grund zu feiern.

So jung schon das Gefühl zu bekommen, dass es niemanden interessiert, ob man da ist. Niemanden, der mit einem feiern will. Niemanden, der freiwillig Zeit mit einem verbringt. Immer eine gute Freundin sein wollen – und dann merken, dass niemand ein Freund für dich sein will.
Niemand entscheidet sich für dich, wenn er die Wahl hat.

Diese Erkenntnis hat mich geprägt. Und dieser Schatten hängt bis heute über mir.

Es war das erste und letzte Mal, dass ich meinen Geburtstag feiern wollte. Dass ich mir Aufmerksamkeit wünschte. Danach wollte ich nur noch, dass der Tag schnell vergeht. Trotz all der Mühe meiner Mama jedes Jahr, ihrer Zuversicht, ihren Worten: „Ein bisschen feiern muss man doch.“ Sie wollte den letzten Funken Hoffnung nie loslassen, dass ich irgendwann wieder einen schönen Geburtstag erleben würde.

Aber nach dieser Erfahrung war es nie wieder schön für mich.

Über die Jahre merkte ich vor allem an meinem Geburtstag, wie einsam ich eigentlich bin. Immer Menschen um mich – und doch am eigenen Tag allein. Keiner, der sich Zeit nimmt, mir eine Freude zu machen, mir zu zeigen, dass er an mich denkt. Immer diejenige, die alle anderen feiert. Und nie diejenige, die gefeiert wird.

Jahr für Jahr ein Stück einsamer. Und trotzdem irgendwo ein kleiner Funke Hoffnung, dass nächstes Jahr alles anders sein könnte.

Dann kam der Geburtstag in dem Jahr, als ich mich endlich von meinem schlechten Umfeld löste, mich aus meinen Traumata befreite, endlich Richtung Heilung ging – und es wurde der einsamste Geburtstag von allen. Er brachte mich direkt zurück in die Volksschulzeit. Vielleicht fünf Gratulationen. Mehr nicht. Und selbst das tut heute noch weh, so ehrlich darüber zu schreiben.

Man sagt, es kommt nicht auf die Menge an, sondern auf die Qualität. Und das stimmt.
Aber hier geht es nicht um „Menge“.
Es geht darum, wie allein ein Mensch sein kann.

Diejenige, die immer auf andere schaut, sich selbstlos kümmert, gute Laune verbreitet, ein offenes Ohr hat, ein gutes Herz – egal wie gebrochen sie ist. Und trotzdem allein bleibt. Übersehen. Vergessen.
Nicht bedacht.

Ich glaube, die wenigsten verstehen, wie sehr das einen Menschen brechen kann. Wie schwer das Jahr für Jahr zu tragen ist.

Und trotzdem lasse ich mir nichts anmerken. Bleibe positiv. Puste die Kerzen alleine aus – in meinem Fall zumindest nie ganz allein, immer mit meiner Mama an meiner Seite. Dafür bin ich jedes Jahr dankbar.
Ein Geschenk, das bleibt. Das schönste Geschenk für mich.

Und doch zeige ich nie, dass ich Angst habe. Angst, wieder enttäuscht zu werden. Wieder verletzt. Wieder allein gelassen. Ich hebe meine Hoffnungen nicht mehr hoch, weil ich weiß, wie tief der Fall sein kann.

Jetzt ist die Katze aus dem Sack.
Der „böse Geist“ der Vergangenheit ein Stück weit gelüftet.
Ein kleines bisschen Freiheit für meine inneren Gespenster.
Ein wenig Leichtigkeit für mich.

Einatmen. Ausatmen. Weitergehen.

Und so bleibe ich dabei: Ein Tag wie jeder andere.
Ich versuche nur, Jahr für Jahr, nicht mehr mit Abneigung, Furcht und diesem schweren Gefühl im Magen auf ihn zu schauen.

Vielleicht wird es nie mein Lieblingstag. Vielleicht bleibt immer ein Schatten.
Aber Jahr für Jahr stelle ich eine Kerze mehr auf den Kuchen.
Nicht, um gefeiert zu werden – sondern um mich ein Stück mehr zu feiern.
Leise. Für mich.
Und vielleicht brennt diese kleine Flamme jedes Jahr ein bisschen heller in Richtung Glück.

Das Leben geht weiter – auch nach diesem Tag.