Bin ich zu viel oder nur am falschen Ort?

Ich verliere mich. Schnell. Oft.
Nicht nur in Gedanken.
In Menschen.
In der Idee von Nähe. In diesem High, wenn sich Verbindung echt anfühlt. Zu echt vielleicht.

Heute ist wieder so ein Tag, an dem ich das alles aufschreiben muss. Weil es sonst zu chaotisch wird da oben. Nicht schlimm-chaotisch, sondern dieses produktive Durcheinander, das nach Klarheit schreit.

Ich merke:
Meine größte Red Flag – und gleichzeitig meine schönste Stärke – ist es, mich zu verlieren.
In anderen.
In ihrem Strahlen. In ihrer Dunkelheit. In dem Wunsch, dazuzugehören, zu geben, zu fühlen.

Als ehemaliger People Pleaser in Reha-Modus, mitten in einem liebevollen, neuen Umfeld, wundert es mich fast nicht, dass gerade dieses Thema so laut wird.
Weil ich aufblühe – und gleichzeitig aufpassen muss, nicht zu verwelken.

Denn wisst ihr was?
Es ist nicht nur negativ, sich tief auf andere einzulassen. Im Gegenteil.
Ich glaube, es ist meine Superpower.
Ich kann Menschen spüren. Eintauchen. Tiefer graben.
Und genau deshalb schaffe ich echte, rohe Verbindungen.
Aber…
genau deshalb verliere ich mich auch schneller als mir lieb ist.

Früher war das anders – oder sagen wir: ungesünder.
Ich war voll dabei, alles zu geben. Immer.
Ich habe mich selbst vergessen, weil es sich besser angefühlt hat, gebraucht zu werden, als alleine zu sein.
Ich war so euphorisch über Nähe, dass ich mich darin aufgelöst habe.
Und ja – die Menschen, die ich damals anzog, waren oft genau die, die davon lebten.
Die mein „Ich mach alles für dich“ tranken wie Wasser.
Unersättlich.

Heute ist das anders.
Ich bin aufmerksamer. Wacher.
Ich reiße mich nicht mehr in kleine, besser verdauliche Stücke, nur damit andere nicht an mir ersticken.
Ich weiß, was ich zu geben habe.
Und wenn ich alleine essen muss – dann esse ich eben alleine. Mit Appetit.

Ich mache keine Kompromisse mehr, wenn sie mich selbst kosten.
Ich unterschreibe keine Verträge, in denen mein Selbstwert kleingedruckt steht.
Und ich wünsche mir, dass niemand von uns das mehr tut.

Wisst ihr, was ich gelernt habe?
Wie du mit dir selbst umgehst, zeigt der Welt, wie sie mit dir umgehen darf.
Alles beginnt bei dir.
Wenn du dich selbst klein machst, werden andere dich nicht größer sehen.
Der Respekt beginnt bei dir.

Aber Achtung: Verstehen ist keine Entschuldigung.
Empathie ist kein Freifahrtschein.

Nur weil ich Menschen verstehen kann, heißt das nicht, dass sie mich verletzen dürfen.
Verstehen ist nicht gleich Hinnehmen.

Und trotzdem nochmal kurz:
Dieses „sich verlieren“ – es ist verführerisch.
Fast wie ein Rausch.
Ich kenne das High, wenn du plötzlich fühlst, dass du bedeutest. Dass du da bist. Dass du funktionierst in einem sozialen System.

Aber dann stehst du da.
Mitten im Trubel.
Und irgendwas in dir flüstert: Wo bist du eigentlich geblieben?

Und genau dann ist es wichtig, sich zu erinnern:
Die richtigen Menschen brauchen keine Dauerverfügbarkeit.
Bei echten Verbindungen ist ein „Nein“ kein Weltuntergang.
Grenzen sind kein Angriff. Sie sind ein Zeichen von Respekt – dir selbst und anderen gegenüber.

Du darfst deine Freunde lieben.
Du darfst für sie da sein.
Und du darfst gleichzeitig einen Tag mit dir selbst verbringen, ohne dich zu erklären.

(Spoiler: Echte Freunde verstehen das.)

Balance ist keine Schande.
Kommunikation kein Luxus.
Und wenn die Waage mal kippt – egal in welche Richtung – solange du dich wieder findest, ist alles gut.

Ich bin so dankbar, dass ich das lernen darf.
Und noch dankbarer, dass ich inzwischen ein Umfeld habe, das mich nicht auffrisst, sondern dabei hilft, mich selbst zu behalten.