Nebenbei geheilt

Wo keine Rolle war – und dennoch Heilung

Vaterfigur.
Wenn ich ehrlich bin – und wie man sich mittlerweile als Leser:in wohl denken kann –
hat es für mich nie wirklich so etwas wie eine Vaterfigur in meinem Leben gegeben.
Und lange Zeit habe ich geglaubt, dass mir das nicht geschadet hat.
Dass es keine Spuren hinterlassen hat, keine Wunden, keine stillen Risse.

Doch da ich nie etwas anderes als den bösen Mann im Haus gekannt habe,
war es für mich nicht logisch, dass diese Rolle auch etwas Gutes tragen kann.
Dass ein Vater nicht automatisch Angst bedeutet.
Das habe ich sehr lange nicht verstanden.

Ich ging davon aus, dass jede noch so „gute“ Vaterfigur irgendwo etwas Dunkles in sich tragen muss.
Vielleicht hat mir dieser Gedanke geholfen, die Enttäuschung auszuhalten.
Zu glauben, dass ich einfach Pech hatte.
Dass mir eben ein besonders negativer Mensch zugeteilt worden war.

Heute weiß ich natürlich, dass ich damit kein Einzelfall war.
Und dass es vielen anderen genauso ergangen ist.

Wenn ich heute über Vaterfiguren in meinem Leben nachdenke,
taucht immer wieder derselbe Mensch vor mir auf:
der Exfreund – mittlerweile gute Freund – meiner Mama.

Er kommt dieser Rolle heute am nächsten.
Auch wenn wir gerade erst begonnen haben, uns auf dieser Ebene zu begegnen.
Auch wenn noch unklar ist, wo diese Geschichte endet.

Als Kind und Jugendliche habe ich ihn nie als Vaterersatz gesehen.
Eher als einen freundlichen Fremden.
Und doch war er von Anfang an präsenter als mein biologischer Vater es je war.

Rückblickend bin ich unendlich dankbar dafür,
dass von seiner Seite nie der Versuch kam, diese Rolle einzunehmen.
Kein Drängen. Kein Anspruch.
Kein unausgesprochener Druck, ihn als neues Familienmitglied akzeptieren zu müssen.

Stattdessen war er einfach da. Immer öfter.
Beim Essen. Bei Feiern. Oder irgendwo dazwischen.
Und auch da nicht jedes Mal –
denn selbst das hätte mich damals schon überfordert.

Er war kein Stiefvater. Kein Vater-Ersatz.
Sondern einfach ein vertrautes Gesicht.
Eines, das keine Angst verbreitete.
Keines, das Panik auslöste.
Sondern eines, das Gesellschaft schenkte.

Natürlich waren wir damals beide andere Menschen als heute.
Auch du hattest deine eigenen Kämpfe hinter dir, deine Aufgaben, deine Stolpersteine.
Wir sind gewachsen. Haben uns weiterentwickelt.
Sind angekommen – jeder auf seine Weise – und haben alte Muster hinter uns gelassen.

Und auch wenn ich nichts an unserer gemeinsamen Reise ändern würde,
weil sie uns genau hierher geführt hat, ertappe ich mich manchmal bei der Frage,
wie es gewesen wäre, so eine Art Vater zu haben statt meinem eigentlichen.

Ob ich mir ein paar Kratzer erspart hätte.
Ob ich anders geworden wäre.

Würde ich trotzdem schreiben?
Zeichnen?
Wäre mein Karriereweg ein anderer?
Mein Liebesleben?
Mein Freundeskreis größer?

Wäre ich überhaupt ich geworden – oder jemand ganz anderes?

Doch so sehr diese Gedankenspiele auch faszinieren,
kann ich heute zurückblicken, ohne der Realität nachzutrauern.
Und ich bin dankbar dafür, dich genau so kennengelernt zu haben, wie es wirklich passiert ist.

Denn auch ohne Perfektion durfte ich in deiner Nähe einfach ich sein.
Ich musste mich nicht erklären, nicht anpassen, nicht weniger oder mehr sein, als ich war.
Auch wenn du mich oft nicht ganz verstanden hast – du musstest es auch nicht.
Du hast mich einfach angenommen.

Und vor allem bin ich dankbar dafür,
dass du einer der wenigen Menschen warst, die meiner Mama treu geblieben sind.
In jeder Hinsicht.

Dass du sie unterstützt hast. Gestärkt. Geliebt.
Dass du ihr nach all den dunklen Jahren wieder Raum gegeben hast,
Partnerin zu sein. Mensch zu sein. Glücklich.

Du hast uns beide ein Stück weit gerettet,
ohne jemals etwas dafür zurückzuverlangen.

Und genau das ist vielleicht mehr,
als eine Rolle jemals hätte sein können.

Und auch wenn wir vielleicht nicht näher kommen, als wir es gerade sind,
bleibst du in meinem Kopf dem Bild eines Vaters näher als mein eigentlicher es je war.

Auch wenn wir nicht viel Kontakt haben und uns – wenn wir ehrlich sind –
„nur“ meine Mama verbindet und immer wieder zueinander bringt,
trage ich dieses warme, wohlig ruhige Gefühl in mir.

Eine Dankbarkeit dafür, dass du das Bild des Vaters, des Mannes in mir, ein kleines Stück repariert hast.
Unbewusst. Ganz leise. Nebenbei.

Und vielleicht ist genau das mehr, als ich je erwartet hätte.

Zwischen Lebensmitteleinkauf und Massenkarambolage

Wenn der Alltag kein Ausnahmezustand mehr ist

Ein Jahr älter.
Ein neues Kapitel.
Und plötzlich ganz neue Dinge, die ich lernen, verlernen – und neu lernen darf.

Mit jedem neuen Lebensjahr kommen nicht nur Kerzen auf dem Kuchen dazu, sondern auch Erkenntnisse. Manche leise, manche unbequem, manche heilsam. Und weil Teilen verbindet, teile ich diese Gedanken heute mit euch. Vielleicht findet die eine oder der andere darin einen kleinen Gedankenanstoß – etwas zum Mitnehmen, Ablegen, Überdenken oder sanft Nachjustieren.

Für mich ganz besonders wichtig – und etwas, das ich in Zukunft wirklich bewusst und regelmäßig trainieren möchte – ist es, mein Nerven- und Stresssystem neu aufzusetzen. Es umzuprogrammieren. Neu einzustellen.

Ich befinde mich nicht mehr im Überlebensmodus.
Ich darf meine Kampf-oder-Flucht-Reaktion wieder dorthin zurückstellen, wo sie hingehört: in den Notfall. Nicht mehr dauerhaft aktiv, nicht mehr ständig auf der Hut.

Ich darf lernen, tief durchzuatmen, statt mich sofort zu stressen.
Ich darf mir Zeit lassen, statt mich selbst unter Druck zu setzen.

Ich bin die Autorin meines eigenen Lebens.
Und ich halte den Stift nun selbst in der Hand.

Termine dürfen wieder Normalität sein – kein Ausnahmezustand mehr.
Und ich darf sie mir selbst einteilen. Wann. Wo. Und so, wie es für mich tragbar ist.

Auch Verabredungen, Treffen oder andere Pläne sind kein
„Ich nehme mir vorsorglich den ganzen Tag Zeit, denn was wäre, wenn …“
mehr.

Sie dürfen Struktur haben. Grobe Pläne. Einen Rahmen.
Und auch diesen darf ich frei wählen – so, wie es sich für mein Gemüt am stimmigsten anfühlt.

Ganz langsam darf wieder mehr in einen Tag passen. Mehr als eine Sache.
Ohne daran zu verzweifeln.
Ohne danach zwei volle Ruhetage zu brauchen.

Für viele klingt das vielleicht nach nichts Großem.
Nach ganz normalen Alltagsdingen.

Für mich jedoch sind das Schritte, an die ich vor ein paar Jahren noch nicht einmal denken konnte.

Ich bin nun endlich an einem Punkt, an dem ich meine Schutzmechanismen – und die daraus entstandenen Vorsichtsstrategien und Verhaltensmuster – Stück für Stück ablegen darf. Nicht wegwerfen. Sondern verstauen. Denn sie waren nicht nur schlecht. Sie haben mich geschützt.

Aber jetzt ist es an der Zeit, wieder zu unterscheiden.
Zwischen einem Lebensmitteleinkauf und einer Massenkarambolage.
Zwischen einem Arzttermin und einer Verfolgungsjagd.
Zwischen einem Treffen mit Freund:innen und einer Marionettenshow.

Und vielleicht ist genau das Erwachsenwerden für mich:
Nicht härter zu werden – sondern feiner.
Nicht wachsamer – sondern vertrauensvoller.
Nicht ständig bereit zu fliehen –
sondern endlich bereit, anzukommen.

⭐ DEZEMBERKIND – Zwischen Dunkelheit und kleinen Lichtern

Der Dezember hat eine besondere Art, die Wahrheit zu enthüllen.
Er legt die Dinge frei, die man das restliche Jahr über tragen kann, ohne darüber zu stolpern.
In dieser Zeit wird mein Inneres lauter, ehrlicher, roher.
Darum schreibe ich heute.

Es passiert jedes Jahr leise, fast heimlich:
Plötzlich ist es Dezember.
Und ich merke wieder, wie schwer dieser Monat für mich ist.
Wie sehr ich kämpfe, einfach nur durchzukommen.
Wie ich glaube, ich könnte mich verstecken – vor mir selbst, vor meinen Erinnerungen,
vor dieser Jahreszeit, die mehr aufwühlt, als sie schenkt.

Ich habe alles probiert: Ablenkung, Offenheit, Schweigen, Rückzug.
Und wenn ich könnte, würde ich mir für den Dezember eine kleine Hütte in den Bergen mieten,
mein Handy ausschalten und verschwinden.
Nur für ein paar Wochen. Nur um wieder Luft zu holen.

Denn im Dezember bin ich immer ein bisschen „mehr“.
Mehr Gefühl, mehr Angst, mehr Schmerz.
Mehr Wellen, weniger Ufer.
Ich werde lauter in mir und leiser nach außen.
Und manchmal bin ich mir selbst kaum einzuholen.

Das Schlimme an tiefer Selbstreflektion ist,
dass man den Ursprung kennt.
Die Muster versteht. Die Wunden benennen kann.
Und trotzdem jedes Jahr dabei zusehen muss, wie man erneut bricht.
Erste-Reihe-Sitzplätze für die eigene Dezember-Show.

Ich weiß, ich bin nicht allein damit.
Weihnachten ist für viele die einsamste Zeit des Jahres.
Eine Zeit, in der man an Familien erinnert wird, die man nicht hat.
An Zusammenhalt, nach dem man sich sehnt.
An Türen, die sich niemals für einen öffnen werden.

Und trotzdem fühle ich mich schuldig,
weil ich zwei Seelen an meiner Seite habe, die mich lieben:
meine Mama, mein Zuhause im Sturm –
und meinen Hund, der mein Herz jeden Tag an die frische Luft führt und mich antreibt weiter zu gehen.

Darf es mir dann überhaupt schlecht gehen?

Dieses Jahr habe ich zum ersten Mal geantwortet:
Ja.
Liebe schließt Schmerz nicht aus.
Nähe hebt Einsamkeit nicht immer auf.
Manchmal existieren beide nebeneinander,
wie Schatten und Kerzenlicht.

Und so schwer dieser Monat für mich ist,
zeigt er mir doch immer wieder kleine Funken Wärme.
Nicht viele – aber genug, um mich am Boden zu halten.
Kaminknistern fürs schwere Herz.

Zum Beispiel Luke. Mein beste Freund. Mein leiser Held.

Mein Seelenhund, der mich anstupst, wenn ich „zu lange“ weine.
Der meine Nähe sucht und mich ansieht –
fast so, als würde er prüfen, ob alles noch in Ordnung ist.
Der auf mich wartet, nach jedem geschafften Tag, an dem ich „funktionieren“ muss
– nach Arbeit, nach Terminen, nach all den Rollen, die ich erfüllen soll.
Er ist da, bereit, sich neben mich auf die Couch zu legen, einfach zu atmen, runterzukommen.
Stolz auf mich, weil ich einen weiteren Tag geschafft habe.
Er begleitet mich auf kleine Abenteuer, schenkt mir Liebe ohne Bedingungen.
Er erinnert mich daran, dass Liebe auch im Dezember existiert –
und dass auch ich geliebt werde.

Und dann ist da meine Mama
mein beständiges Zuhause, selbst in der kältesten Jahreszeit.
Meine beste Freundin.

Die Frau, die jedes Jahr ein bisschen mehr versucht, mir den Schmerz aus der Weihnachtszeit zu nehmen.
Die doppelt so oft nachfragt, ob alles gut ist.
Die sofort spürt, wenn es mir nicht gut geht – auch wenn ich es hinter Lächeln oder Alltag verstecke.
Die mich hält und aushält. Und liebt, ohne Stopp-Schild.
Die mir Raum gibt, wenn mein Glas überläuft.
Und mich wieder aufstellt, wenn ich am Boden liege.

Spielabende, Bummeln, Spaziergänge.
Zweisamkeit, die mich erdet.
Und manchmal wird mir bewusst, dass ich kein Zufallskind bin.
Dass ich diese beiden Seelen – meine Mama und meinen Hund – nicht einfach so bekommen habe.
Vielleicht sind sie meine Sterne in dieser dunklen Jahreszeit.
Erinnerungen daran, dass mein Weg zwar kein leichter ist,
ich aber trotzdem richtig bin.
Dass ich die Liebe verdiene, die ich sonst immer nur hinausgebe.

Vielleicht spüre ich ihre Liebe so intensiv,
weil sie der Gegenpol zu allem ist, was mir fehlt.
Weil sie die Lücken nicht schließen, aber erträglicher machen.

Doch Dezember bedeutet für mich auch die Trauer um eine Familie, die noch lebt.
Eine stille Trauer, die niemand sieht.
Ein Loslassen, das mehr wehtut als Festhalten –
weil Festhalten irgendwann nur noch schneidet.

Ich habe keine Großeltern, zu denen ich fahren könnte.
Keine Geschwister, die mich je wirklich wollten.
Einen Vater, der nie wirklich einer war – und nie einer sein wird.
Und Verwandte, für die ich immer nur „dabei“ war, aber nie „dazugehörte“.

Umso schwerer ist es, wenn um mich herum Menschen über Stress klagen.
Über Essenspläne, Geschenke, Termine. Darüber, dass die Familie nervt.
Sie sehen nicht, wie wertvoll das alles ist.
Wie sehr es ein Geschenk ist,
Menschen zu haben, die bleiben.

Trotzdem glaube ich daran, dass auch meine Schatten irgendwann weich werden dürfen.
Dass Heilung nicht linear ist, aber möglich.
Dass Licht immer wieder seinen Weg findet – selbst in den härtesten Monaten.

Schade eigentlich, dass ich als Dezemberkind diesen Monat nie ganz feiern konnte.
Vielleicht wird er auch nie mein Lieblingsmonat sein.
Aber jedes Jahr fürchte ich ihn ein kleines bisschen weniger.

Dieses Jahr war anders.
Leiser. Ehrlicher.
Vielleicht ist genau das der Anfang, auf den ich so lange gewartet habe –
der Mut, mich nicht mehr zu verstecken, auch wenn das bedeutet, einsam zu sein.

Vielleicht ist das hier der erste Dezember,
in dem ich nicht nur kämpfe und überlebe,
sondern auch zuhöre — mir selbst.
In dem ich mich ein Stück weit öffne, ohne performen zu müssen.
Ein Dezember, der mich nicht bricht, sondern mich erinnert,
dass auch in mir ein Licht brennt – selbst wenn es manchmal klein ist.

❄️Durch den Dezember – meine Jahresinventur“

1. Dezember 2025.
Der letzte Monat des Jahres klopft an – und irgendwie fühlt es sich an wie der leise Gong zum Final Countdown.

Um mich herum sehe ich, wie bei vielen der Stress jetzt erst richtig an Fahrt gewinnt. All die Dinge, die noch erledigt werden müssten. All die Wünsche, die irgendwo zwischen Alltag, Müdigkeit und „Vielleicht später“ hängen geblieben sind.
Wieder mal nicht genug Zeit mit Familie, Freunden oder dem eigenen Herzen verbracht. Den Urlaub aufgeschoben, mehr gearbeitet, sich dann über genau dieses Mehrarbeiten geärgert. Zu selten draußen gewesen. Zu selten auf sich selbst gehört. Zu selten wirklich gelebt.
Und manchmal fühlt es sich so an, als würde alles beim Alten bleiben – schon wieder.

Ich glaube, dieses Hamsterrad-Gefühl kennen wir alle. Dieses berühmte „morgen“, dann „nächste Woche“, spätestens „nächsten Monat“. Bis man irgendwann blinzelt – und aus Monaten wird ein ganzes Jahr.

Auch ich ertappe mich immer wieder dabei. Und jedes Mal muss ich mich daran erinnern, dass wir dieses Leben nur ein einziges Mal geschenkt bekommen. Und dass die Zeit auf niemanden wartet.

Deshalb frage ich mich heute – noch bevor ich an 2026 denke –, wo ich gerade wirklich stehe. Ich schaue auf die letzten Monate zurück, als würde ich einen kleinen Kreis um mich ziehen, um erst einmal wahrzunehmen, was da ist, bevor ich weitergehe.

Ich möchte mindestens drei positive Dinge finden, die 2025 mir gebracht hat – und ihnen bewusst Raum geben.
Mir vor Augen halten, welche Menschen mir dieses Jahr gutgetan haben, wer mich unterstützt hat, auf welche Weise auch immer.
Was ich gelernt und ausprobiert habe.
Wie ich mich verändert habe – welche Gewohnheiten ich gehen ließ und welche bleiben dürfen.
Wer mir Energie geraubt hat. Was mich enttäuscht hat. Wo meine Stolperstellen lagen.
Und genauso: Welche kleinen und großen Erfolge ich mir eigentlich viel öfter selbst auf die Schulter klopfen sollte.

Und dann, ganz zum Schluss:
Wofür war ich dieses Jahr wirklich dankbar?

Diese Fragen begleiten mich heute – wie ein persönlicher Jahreskreis, den ich schließe. Gerade mir, der sensiblen, leicht chaotischen Seele, hilft es, klar zu sehen, wo ich stehe. Nur so kann ich ehrliche und realistische Ziele für meine Zukunft setzen. Und mich daran erinnern, was ich schon alles geschafft habe. Das ist mein kleiner, persönlicher Motivationszauber.

Ich habe inzwischen verstanden, dass vieles in mein Leben kommt, wenn es an der Zeit ist. Dass nicht jeder Plan aufgeht – und genau das trotzdem richtig sein kann. Ziele und Träume sind meine Wegweiser, kein starres Drehbuch.

Deshalb setze ich mir fürs neue Jahr keine Erwartungen, die ich schon jahrelang vor mir herschiebe. Stattdessen setze ich Impulse. Kleine Botschaften ans Universum. Ich visualisiere mein 2026, vielleicht auf einem Visionboard, und lege es vertrauensvoll in die Hände der Zukunft.
Alles, was für mich bestimmt ist, wird mich finden.
Alles, was mich nicht mehr weiterbringt, darf mich loslassen.

Und ja, manchmal werde ich dafür belächelt. Manchmal mit spöttischen Kommentaren. Aber ich werde nicht aufhören, ich zu sein. Und ganz sicher werde ich nicht aufhören zu träumen. Mein Herz führt mich – selbst durch finstere Wege –, und bisher hat es mich immer wieder an schöne Orte gebracht.
Ich glaube fest daran: Was wir ins Universum schicken, kommt irgendwann zurück.

Mit diesen Gedanken starte ich in diesen Dezember. Vielleicht inspiriert er ja auch dich, ein bisschen zu reflektieren, zu manifestieren oder einfach nur bewusst zu atmen.
Ich möchte in diesem Monat wieder mehr schreiben – mein letzter Wunsch an mich selbst für dieses Jahr.
31 Tage, um aus 2025 noch das Schönste herauszuholen. Für mich. Für euch. Für uns alle.

🎂 Ein Tag wie jeder andere, und doch ein Schritt näher zu mir

Jetzt, wo der Tag schön langsam aber sicher wieder näher rückt, möchte ich noch einmal ein Kapitel aus meiner Kindheit festhalten. Dinge, die mich bis heute prägen – Erfahrungen, die laut in mir nachhallen und mich jedes Jahr aufs Neue besuchen, um zu prüfen, ob die alten Wunden inzwischen verheilt sind.

Geburtstage.
Eigentlich ja ein Tag wie jeder andere – so lautet zumindest meine Standardantwort. „Ich mag meinen Geburtstag nicht“, sage ich jedes Jahr wieder, beinahe schon automatisch. Ich versuche stets, diesen Tag so anonym wie möglich zu halten: unbemerkt, versteckt, leise. Vielleicht, denke ich mir, kann ich mich einfach still und heimlich durchschlängeln, ohne dass jemand etwas merkt.

Dieses Jahr möchte ich ehrlich sein. Zu mir – und zu allen anderen. Endlich aussprechen, was seit Jahren in mir schlummert. Das Versteckspiel mit mir selbst beenden.

Denn eigentlich hasse ich meinen Geburtstag gar nicht.
Eigentlich finde ich Geburtstage sogar schön.

Ich habe mich immer auf die Geburtstage meiner Liebsten gefreut. Eine meiner Liebessprachen ist es, Geschenke zu machen. Ich liebe es, die Menschen zu feiern, die ich liebe. Ihnen eine Freude zu bereiten. Ihnen einen schönen Tag zu schenken. Ich backe gerne, bastle gerne, schenke von Herzen.

Nur meinen eigenen Geburtstag finde ich nie schön. Immer dasselbe mulmige Gefühl im Magen, dieser schwere Klotz auf meinem Herzen und der Reflex, mich zu verstecken. Ich kann Geschenke genauso schwer annehmen wie Komplimente, und ich möchte eigentlich nie der Mittelpunkt eines Tages sein. Die Aufmerksamkeit darf gern bei den anderen bleiben – das Gefühl, gefeiert zu werden, ist mir schlicht fremd.

Jedes Jahr bin ich wieder das kleine Mädchen, das zum ersten Mal eine „Party“ mit seinen Freunden feiern wollte.
Ich habe eifrig alle aus meiner Volksschulklasse eingeladen, keiner durfte fehlen. Die Einladungen habe ich mit voller Vorfreude gebastelt – ich wollte, dass wir gemeinsam feiern, spielen, lachen. Meine Mama und ich haben Tage davor schon geplant. Ich war so aufgeregt, so gespannt auf meine erste richtige Party.

Und dann kam der Tag.
Ich war schon munter, bevor Mama mich überhaupt weckte. Wir bereiteten alles vor: Essen, Tische und Stühle im Garten, Dekoration, die Torte – alles war bereit. Es fehlten nur noch die Gäste.

Ich erinnere mich genau, wie mein Bauch beim Warten immer schwerer wurde. Ob sich alle einfach verspäten? Ob sie unser Haus nicht finden? Für diesen Fall hatten wir extra bunte Ballons an den Straßenlaternen befestigt. Vielleicht haben sie die Uhrzeit verwechselt. Vielleicht den Tag. Die Zeit verging. Und verging.
Aber niemand kam.

Und obwohl ich damals noch so klein war, erinnere ich mich bis heute an den Blick meiner Mama – wie ein kleines Stück ihres Herzens mit meinem zerbrach.

Ich wollte mir einreden, dass es zumindest jemanden geben muss, der wirklich mein Freund ist. Dass die anderen nur gemein sind, weil sie „lustig“ sein wollen. Doch in diesem Moment habe ich zum ersten Mal wirklich gespürt, dass mich niemand als Freundin sah. Dass es niemanden gab, der es feiern wollte, dass ich hier bin.

Wir saßen noch lange da. Still, wartend – als würde jede Bewegung alles endgültig zerbrechen lassen. Ich schämte mich so sehr, konnte Mama kaum ansehen, weil ich so falsch gelegen war mit allem. Ich dachte wirklich, wenigstens einer würde kommen. Und ehrlich gesagt: Das hätte mir gereicht. Ein kleines Zeichen. Ein Funken Hoffnung, dass ich vielleicht doch nicht das stille, unscheinbare Mädchen bin, das keiner mag.

Irgendwann stand Mama auf und holte Oma und Opa aus dem Haus – eine Art Fallschirm für meine Gefühle. Auch die Hunde durften endlich raus. Es war klar: Niemand würde kommen.

Und von diesem Tag an fand ich meinen Geburtstag nie wieder toll. Nie wieder einen Grund zu feiern.

So jung schon das Gefühl zu bekommen, dass es niemanden interessiert, ob man da ist. Niemanden, der mit einem feiern will. Niemanden, der freiwillig Zeit mit einem verbringt. Immer eine gute Freundin sein wollen – und dann merken, dass niemand ein Freund für dich sein will.
Niemand entscheidet sich für dich, wenn er die Wahl hat.

Diese Erkenntnis hat mich geprägt. Und dieser Schatten hängt bis heute über mir.

Es war das erste und letzte Mal, dass ich meinen Geburtstag feiern wollte. Dass ich mir Aufmerksamkeit wünschte. Danach wollte ich nur noch, dass der Tag schnell vergeht. Trotz all der Mühe meiner Mama jedes Jahr, ihrer Zuversicht, ihren Worten: „Ein bisschen feiern muss man doch.“ Sie wollte den letzten Funken Hoffnung nie loslassen, dass ich irgendwann wieder einen schönen Geburtstag erleben würde.

Aber nach dieser Erfahrung war es nie wieder schön für mich.

Über die Jahre merkte ich vor allem an meinem Geburtstag, wie einsam ich eigentlich bin. Immer Menschen um mich – und doch am eigenen Tag allein. Keiner, der sich Zeit nimmt, mir eine Freude zu machen, mir zu zeigen, dass er an mich denkt. Immer diejenige, die alle anderen feiert. Und nie diejenige, die gefeiert wird.

Jahr für Jahr ein Stück einsamer. Und trotzdem irgendwo ein kleiner Funke Hoffnung, dass nächstes Jahr alles anders sein könnte.

Dann kam der Geburtstag in dem Jahr, als ich mich endlich von meinem schlechten Umfeld löste, mich aus meinen Traumata befreite, endlich Richtung Heilung ging – und es wurde der einsamste Geburtstag von allen. Er brachte mich direkt zurück in die Volksschulzeit. Vielleicht fünf Gratulationen. Mehr nicht. Und selbst das tut heute noch weh, so ehrlich darüber zu schreiben.

Man sagt, es kommt nicht auf die Menge an, sondern auf die Qualität. Und das stimmt.
Aber hier geht es nicht um „Menge“.
Es geht darum, wie allein ein Mensch sein kann.

Diejenige, die immer auf andere schaut, sich selbstlos kümmert, gute Laune verbreitet, ein offenes Ohr hat, ein gutes Herz – egal wie gebrochen sie ist. Und trotzdem allein bleibt. Übersehen. Vergessen.
Nicht bedacht.

Ich glaube, die wenigsten verstehen, wie sehr das einen Menschen brechen kann. Wie schwer das Jahr für Jahr zu tragen ist.

Und trotzdem lasse ich mir nichts anmerken. Bleibe positiv. Puste die Kerzen alleine aus – in meinem Fall zumindest nie ganz allein, immer mit meiner Mama an meiner Seite. Dafür bin ich jedes Jahr dankbar.
Ein Geschenk, das bleibt. Das schönste Geschenk für mich.

Und doch zeige ich nie, dass ich Angst habe. Angst, wieder enttäuscht zu werden. Wieder verletzt. Wieder allein gelassen. Ich hebe meine Hoffnungen nicht mehr hoch, weil ich weiß, wie tief der Fall sein kann.

Jetzt ist die Katze aus dem Sack.
Der „böse Geist“ der Vergangenheit ein Stück weit gelüftet.
Ein kleines bisschen Freiheit für meine inneren Gespenster.
Ein wenig Leichtigkeit für mich.

Einatmen. Ausatmen. Weitergehen.

Und so bleibe ich dabei: Ein Tag wie jeder andere.
Ich versuche nur, Jahr für Jahr, nicht mehr mit Abneigung, Furcht und diesem schweren Gefühl im Magen auf ihn zu schauen.

Vielleicht wird es nie mein Lieblingstag. Vielleicht bleibt immer ein Schatten.
Aber Jahr für Jahr stelle ich eine Kerze mehr auf den Kuchen.
Nicht, um gefeiert zu werden – sondern um mich ein Stück mehr zu feiern.
Leise. Für mich.
Und vielleicht brennt diese kleine Flamme jedes Jahr ein bisschen heller in Richtung Glück.

Das Leben geht weiter – auch nach diesem Tag.

🌼 Der Frieden, der nicht von dir kam

Zeilen aus meinem Danach

Mittlerweile sind Jahre vergangen, und dennoch fühlt es sich manchmal an, als wäre es gestern gewesen. Manchmal frage ich mich, warum manche Erinnerungen so hartnäckig bleiben – als hätten sie sich in die Knochen eingebrannt. Für dich allerdings steht das Buch noch immer weit offen.
Ob du jemals wirklich abschließen kannst? Ich bezweifel es inzwischen stark.
Und manchmal tut es mir leise leid, still und ohne Vorwurf.

Egal wie viel Zeit vergeht und wie sehr du dir selbst einredest, dich verändert zu haben, wie sehr du mir den Glauben aufdrängen möchtest, du seist nun ein anderer Mensch:
Für mich wirst du immer der bleiben, der du damals warst.

Ich werde dich nicht mehr mit warmen Augen ansehen können, und Vertrauen wird es zwischen uns nie mehr geben. Du hattest deine Chance – eigentlich hattest du viele davon. Eine nach der anderen habe ich dir gegeben, ohne Bedingungen, ohne Grenzen. Immer wieder.
Und nie hast du sie genutzt, nie gezeigt, dass du sie wert warst.

Ich wünsche dir wirklich nichts Schlechtes. Ich möchte nicht, dass du leidest. Ich hasse dich nicht – nicht einmal im Ansatz. Es ist ein stilles Nichtgefühl. Und irgendwann auf dem Weg meiner eigenen Heilung habe ich dir vergeben. Leise. Mit ehrlichem Herzen. Für all die Jahre, die Schmerzen, die Albträume.

Doch zurück in mein Leben wirst du niemals finden. Da ist kein Platz mehr – nicht mal ein Winkel. Und es ist das erste Mal in meinem Leben, dass mich dieser Gedanke nicht traurig macht. Ich vermisse dich nicht. Ich bin nicht enttäuscht, dass du nicht mehr da bist. Ich möchte dich einfach nie wiedersehen.
Eine ruhige Entscheidung.

Ich hoffe nur, dass du irgendwann ehrlich zu dir selbst sein kannst. Dass du erkennst, wie verletzend du zu mir warst, wie wenig echte Gefühle zwischen uns existierten. Und wenn dieser Moment kommt, wünsche ich dir trotzdem, dass du nicht darin verharrst. Nicht jahrelang mit Schuld kämpfst. Sondern dass du loslässt – mich, uns, alles. Dass du auch dir selbst verzeihen kannst.

Du hast mich nicht nur gebrochen – du hast mich aus mir selbst gerissen. Immer wieder. Und doch konntest du es nicht ertragen, dass mein Herz nicht ganz zerbrach. Dass ich trotz allem gut blieb.
Du wolltest mich nicht halten, aber du konntest mich auch nicht freigeben.

Ich wollte nur das Gute in dir sehen. Wollte Hoffnung finden, irgendein kleines Zeichen. Und du hast dich an meiner Gutmütigkeit festgehalten, an meinem Vertrauen, meiner Liebe, meiner Freundschaft.
Weil du wusstest, dass ich nicht gehe. Und ich blieb.

Ein Spiel, das sich unendlich anfühlte.
Ein leiser Kampf im Hintergrund meines Lebens.

Wenn ich heute zurückblicke, sehe ich Muster, die ich damals nicht erkennen konnte. Du erinnerst mich an jemanden. Vielleicht schon damals. An den einen Menschen aus meinem Leben, der dir so ähnlich ist wie kein Anderer: meinen Vater.

Und wie bei ihm sehe ich heute klarer, was hinter deiner Fassade lag. Nicht der Wolf, für den du dich hieltest, sondern ein unsicherer Junge, der sich selbst am meisten fürchtete, der sich selbst am meisten hasste. Und wie meine Mutter wollte ich dich retten. Wollte dir mit all meiner Kraft helfen.
So sehr, dass ich mich selbst verlor.

Doch irgendwann wachte ich auf. Früher als gedacht. Ich riss mich aus den Ketten – und ja, es tat weh. Wunden, die Zeit brauchten. Aber ich habe den Absprung geschafft.

Ich musste erkennen, wer du wirklich bist. Musste mich befreien.
Ich musste sehen, dass du nicht der Mensch bist, der du vorgibst zu sein. Deine Fassade flackerte,
und das, was dahinter auftauchte, war nur ein Schatten – weit entfernt von Wahrheit.
Und auch das war erst der Anfang.

Heute gibt es Schatten von damals. Ich heile noch – vielleicht noch lange. Aber ich bin hier. Und ich habe dich überlebt. Ein Teil von mir ist zurückgeblieben, hat mir die Tür zu meinem neuen Leben aufgehalten. Ein anderer ist gestorben, damit ich neu entstehen konnte.

Albträume, Panik, die Angst vor Nähe – all das begleitet mich manchmal noch. Und ja… ich habe überlebt, aber nicht ohne einen Preis.
Noch immer zucke ich zusammen, wenn jemand laut wird, wenn Bewegungen zu schnell sind, wenn Gesten in meiner Nähe zu abrupt passieren. Mein Körper schreitet wie von selbst einen Schritt zurück, bevor ich überhaupt darüber nachdenke. Nähe fühlt sich oft fremd an; sie lässt mein Herz stolpern, und irgendwo tief in mir steigt dann diese leise Panik hoch, die ich so gut kenne.

Manchmal fällt mir selbst das Atmen schwer, in Momenten, in denen ich es am wenigsten erwarte – wie eine Erinnerung, die aus dem Nichts an mir hochzieht.
Als hättest du damals eine Klingel in mir hinterlassen, ein Signal, das sich festgebissen hat, weil du mich nie loslassen konntest… und es irgendwo in dir vielleicht immer noch nicht kannst.

Und doch wächst in mir jeden Tag etwas Neues. Etwas Leises, Warmes. Etwas, das nicht von dir stammt.
Ich werde vielleicht nie vollständig heilen – und auch das ist okay.

Ich wünsche dir nicht die Dunkelheit, die ich erlebt habe.
In mir ist kein Zorn, nicht einmal ein bitterer Nachgeschmack.
Nicht, weil du mir noch etwas bedeutest – sondern genau, weil du es nicht mehr tust.

Du bist mir egal geworden.
Ein seltenes Gefühl in meinem Leben. Ein leises Wunder.

Manchmal kann ich es selbst kaum glauben. Und doch bin ich stolz auf mich.
Auf die Frau, die ich geworden bin. Auf den Weg, den ich überlebt habe.

Und obwohl ich die Ines von damals zurücklassen musste, denke ich oft still an sie.
Ich wünschte, sie könnte sehen, wie weit wir gekommen sind. Dass unser Leben weitergegangen ist.
Dass wir unser Licht wiedergefunden haben, und dass es heute heller strahlt als alles,
was uns jemals verdunkelt hat.

Danke an mich selbst, dass ich nicht aufgegeben habe.
Und danke an dich – denn ohne dich hätte ich nie erfahren, wie stark ich wirklich bin.

Auf nie mehr Wiedersehen.
Nicht in diesem, und nicht im nächsten Leben.

Ein Montag voller Menschsein

Weil manchmal der wichtigste Schritt ist, die Seele wieder aufwachen zu lassen.
Manchmal merkt man nämlich erst im Rückblick, wie sehr man sich selbst vermisst hat.

Irgendwann in der letzten Zeit, ist mir aufgefallen,
dass ich mich wieder leise aus meinem eigenen Leben geschlichen habe.
Statt mitten drin zu stehen, war ich nur noch Beobachterin.
Als wären die Farben in mir in den Winterschlaf gefallen.
Aufstehen, essen, lernen, arbeiten, schlafen – immer das Gleiche.

Und obwohl ich all das jeden Tag getan habe, bin ich innerlich stehen geblieben.
Ein bisschen verloren, ein bisschen gelangweilt, ein bisschen frustriert. Vor allem aber: farblos.
Keine Kreativität. Keine Idee. Kein Funken Magie.
Nur dieses dumpfe Gefühl in mir, dass alles gerade ein bisschen zu grau ist.
Zu langweilig – zu monoton.

Vielleicht kennt ihr das auch. Dieses automatische Funktionieren.
Dieses „Ich passe mich kurz mal an, damit ich nicht aus der Reihe tanze“.
Und ehe man sich versieht, wacht man mitten im Hamsterrad auf –
obwohl man dachte, man hätte sich längst davon befreit.

Ich frage mich regelmäßig, wie ich eigentlich schon wieder ins nächste Labyrinth geraten bin –
und warum ich jedes Mal glaube, ich müsste sofort den Ausgang finden.
Der erste Gedanke ist „Wo ist der Ausweg – wie geht’s hier raus?“

Und was mir gerade auffällt:
Viele stecken genau in ähnlichen Phasen fest. Drehen sich genauso im Kreis wie ich.
Irgendwie müde. Irgendwie ohne klaren Plan. Irgendwie wartend auf „besser“.
Unzufrieden da, wo sie gerade sind.

Doch auch solche Phasen gehören dazu.
Sie sind nicht das Ende, sondern oft der Anfang von etwas Neuem.
Wir dürfen verloren sein, ohne uns zu verurteilen.
Dürfen hinfallen. Dürfen langsamer werden. Dürfen Zeit brauchen, um wieder aufzuwachen.

Heute fühle ich mich ein bisschen klarer. Noch nicht ganz munter, aber wachgerüttelt.
Ich taumle noch, aber ich bin wieder da.
Als würde mein inneres Licht langsam wieder den Weg nach außen finden.
Der Fiebertraum der letzten Wochen löst sich – Stück für Stück.

Ich glaube, genau das ist die Lektion: dem eigenen Tempo zu vertrauen.
Nicht jeden Tag die Welt festhalten müssen, nicht unaufhörlich Stärke zeigen.
Manchmal reicht ein einziger Atemzug, ein stiller Halt –
eine Pause ohne Schuldgefühl, ohne die leise Anklage im Herzen.
Kein Fallen, das bestraft werden muss, kein Loslassen, das erklärt werden soll.
Nur dieses einfache, stille Recht: Mensch zu sein.

Zwischen dem Grau wächst irgendwann wieder Farbe.
Zwischen Stillstand und Chaos erwacht ein neuer Funke.
Zwischen Müdigkeit und Ungeduld ein leiser Moment,
der uns zeigt, wie schön das Leben sein kann,
wenn wir es nicht auf Autopilot stellen.

Wie kleine Blumen im Sturm – nicht unverwüstlich, aber getragen von der Erinnerung,
dass in uns noch immer Farbe steckt.

Also:
Lass uns heute die kleinen Dinge sehen.
Den Kaffee, der gut riecht. Den Regen, der Geschichten erzählt.
Den winzigen Moment, in dem wir wieder ein Stück mehr wir selbst sind.

Wir leben schließlich alle zum ersten Mal.
Warum also sollten wir perfekt durch dieses Leben tanzen?
Wir dürfen stolpern. Wir dürfen neu anfangen. Wir dürfen anders sein.

Heute reicht es, wieder ein bisschen Farbe in mir zu spüren.
Und selbst wenn es nur ein winziger Funke ist – er reicht, um weiterzugehen.

Ein kleiner Schritt nach vorne. Nicht perfekt. Aber echt – ein stilles Zeichen dafür,
dass ich immer wieder meinen Weg finde.
Ein bisschen wackelig und doch voller Magie ✨

Ich bin nicht hier, um mich kaputt zu machen 🖤

Ich bin wütend.
Frustriert. Verzweifelt.
Ich könnte schreien und weinen zugleich.

Zwar würde ich sagen, dass ich zäh bin, belastbar, widerstandsfähig – aber tief in mir merke ich immer wieder, wie sehr mich dieser ständige Druck unglücklich macht.
Wie sehr er mich mental auslaugt.
Und wie mein Umfeld das mitträgt, obwohl niemand es so nennen will.

Diese Leute, die behaupten, sie bringen unter Druck ihre beste Leistung, Stress würde sie motivieren – ich halte das für absoluten Schwachsinn.
Stress ist kein Antrieb.
Er ist Gift.
Und auf Dauer wird er zur Sucht – einer, die sich gut tarnt, weil sie gesellschaftlich akzeptiert ist.

Arbeit ist nicht das Leben

Dann ist da dieser kollektive Druck, dieser gesellschaftliche Glaubenssatz:
„Arbeiten muss man halt, um Geld zu verdienen und sich das Leben leisten zu können.“
Ja, das weiß ich. Das wissen wir alle.
Aber Arbeit ist nicht das Leben.

Nur weil es „immer schon so war“, heißt das nicht, dass es richtig ist.
Ich will kein Opfer dieses Systems werden – nicht eine weitere, die sich selbst verliert, weil „das halt dazugehört“.
Mein Sinn des Lebens ist nicht zu funktionieren.
Nicht morgens aufzustehen, zu arbeiten, heimzukommen, zu essen, zu schlafen, und das Ganze dann wieder von vorn.
Dieser Teufelskreis, den viele „Normalität“ nennen – ich will das nicht.
Und – ganz ehrlich – niemand von uns muss das wollen.

Diese Leichtigkeit, die andere in mir sehen

Ich schenke anderen so viel Empathie.
Ich höre zu, verstehe, nehme Anteil, wenn sie erzählen, wie anstrengend alles ist, wie viel sie schaffen müssen, wie gestresst sie sind.
Und dann kommen diese halb witzigen, halb spitzen Bemerkungen:
„Du hast’s ja leicht.“
„Dein Leben ist ja nicht so stressig.“

Solche Aussagen sind leichtsinnig – und sie tun weh.
Sie entstehen aus Projektionen, Fantasien, Oberflächenbeobachtungen.
Aus dem, was Menschen sehen, hören oder sich zusammenreimen.
Als könnten sie von außen beurteilen, wie schwer oder leicht ein Leben ist.

Aber das können sie nicht.
Sie wissen nicht, wie viel Kraft es kostet, nicht zu jammern.
Wie viel Energie es braucht, immer wieder stark zu sein.
Und wie laut es im Inneren werden kann, wenn man immer die Starke sein soll.

Die Starke – und die Rebellin

Ich habe die Rolle der Zuverlässigen übernommen.
Die, die auffängt.
Die, die springt, wenn jemand ruft.
Die, die sich verbiegt, weil sie niemanden enttäuschen will.

Ich bin ein menschlicher Flummi, ein Spielball für mein Umfeld – fast schon eine Sklavin meines eigenen People Pleasing (also meines Bedürfnisses, es immer allen recht zu machen).
Und genau das macht mich wütend.
Weil ich spüre, wie sehr ich mich selbst darin verliere.
Wie schnell ich meine eigenen Grenzen übergehe.
Wie selbstverständlich es geworden ist, dass ich springe, ohne erst zu fragen, wohin.

Aber jetzt sage ich: Stopp.

Mein Kopf ruft Notfall-Stopp

Seit Wochen versuche ich, alles unter einen Hut zu bekommen.
Arbeit, Weiterbildung, Freundschaften, Haushalt – und dazwischen das Lernen für meine Prüfungen.
Ich versuche zu funktionieren, weil es „gut für die Zukunft“ ist, weil ich ja „investiere“.
Aber irgendwo dazwischen verliere ich mich.

Ich sitze über meinen Unterlagen, lese, schreibe, wiederhole – und nichts bleibt hängen.
Mein Kopf ist voll, mein Herz leer.
Ich merke, wie ich blockiere.
Wie ich mich selbst in diesen Zustand manövriert habe, in dem kein Gedanke mehr fließen kann.
Ich habe keinen Raum mehr in mir – nicht fürs Lernen, nicht fürs Durchatmen, nicht fürs Leben.

Und das macht mich wütend.
Weil ich keine Zeit mehr finde, Dinge zu tun, die mich nähren.
Weil ich alles für später aufschiebe – Freizeit, Freude, Leichtigkeit – damit ich jetzt „funktioniere“.
Aber irgendwann reicht es.
Mein Körper, mein Geist, mein Inneres – sie schreien alle: Stopp.

Und diesmal höre ich hin.
Nicht um aufzugeben.
Nicht um mich rauszureden.
Sondern um hinzuschauen.
Um zu akzeptieren, was ist.
Und um es zu verändern.

Ich schulde mir selbst dieselbe Empathie

Ich arbeite hart.
Ich bin eine gute Freundin, ein guter Mensch. Ich gebe mein Bestes.
Ich versuche, niemandem das Gefühl zu geben, dass ich schwach bin, dass ich kämpfe, dass ich vielleicht gerade an meine Grenzen stoße.
Ich will, dass die Menschen um mich herum sich wohlfühlen.
Aber in all dem verliere ich immer wieder mich selbst.

Ich vergesse, stehen zu bleiben.
Zurückzuschauen.
Zu sehen, wie weit ich schon gekommen bin.
Ich vergesse, mir selbst Anerkennung zu schenken für all das, was ich schon geschafft habe – für all die Kämpfe, die ich gewonnen habe, und die, die ich gerade noch kämpfe.

Ich darf mir Liebe und Respekt schenken, nicht nur anderen.
Ich darf stolz auf mich sein, weil ich weitermache.
Weil ich an mir arbeite, weil ich meinen eigenen Weg baue, auch wenn er unbequem ist.

Ich glaube an mich.
Ich sehe meine Zukunft klar vor mir.
Ich weiß, wohin ich will – und dass ich dorthin komme.
Und bei all dem trage ich noch immer mein gutes Herz in mir.

Ich bin nicht selbstverständlich

Andere dürfen das endlich sehen.
Dürfen merken, was für einen Unterschied ich mache, welchen Wert ich in ein Team, in eine Freundschaft, in ein Leben bringe.
Wie schön es ist, sich auf mich verlassen zu können – ohne, dass ich mich dafür selbst zerstöre.

Die Welt darf merken, dass ich da bin.
Und dass ich nicht selbstverständlich bin.

Die Zeit vergeht sowieso zu schnell.
Also darf ich mir auch selbst ein Stück davon nehmen.
Aber diesmal anders.

Schluss mit Druck. Schluss mit Vergleichen. Schluss mit einem Tempo, das nicht meins ist.
Nur weil andere rennen, heißt das nicht, dass ich muss.
Ich höre auf, mich an veralteten Standards festzuhalten – an Vorstellungen, wie man zu sein hat, was man schaffen sollte, wie man zu funktionieren hat.

Ich habe mich kurz selbst nicht mehr erkannt.
Und genau deshalb will ich mich jetzt wachrütteln.
Mich erinnern, wer ich wirklich bin.

Ich will ein Vorbild sein – zuerst für mich selbst,
und dann für alle, die sich in meinem Chaos, in meiner Wut, in meinen Eigenheiten wiederfinden.
Für alle, die sich durch mich gesehen fühlen, gehört, verstanden.

Ich bin, wie ich bin – und genau deswegen.

Kein schlechtes Gewissen mehr, weil ich mir nicht genug Druck mache.
Kein inneres Zureden mehr, weil ich Dinge nicht beim ersten Versuch perfekt schaffe.
Ich darf mehrere Anläufe brauchen. Ich darf Fehler machen. Ich darf mir Zeit nehmen.

Ich darf einfach Mensch sein.

Urteilen werden die anderen sowieso.
Also warum ihnen nicht neuen Gesprächsstoff geben – neue Dinge, über die sie reden, fantasieren, projizieren können?

Es ist Zeit, nicht mehr so streng mit mir zu sein.
Zeit, auf meine eigenen Ratschläge zu hören.
Zeit, mir selbst zuzuhören.

Und genau das tue ich jetzt.

Ich weiß wohin ich will — und trotzdem zieht es mich kurz zurück.

Ich schreibe, weil Veränderung manchmal im Stillen beginnt
und ich mir selbst dabei zuhören will, wie ich werde.
Nicht aus Verlust, sondern aus Reife.
Nicht, weil ich zerfalle — sondern weil ich mich neu zusammensetze.

Manche Gefühle tragen Schatten, manche Licht,
und oft weiß ich erst später, welches welches war.
Aber ich lerne, dass Wachstum beides braucht:
Zartheit und Klarheit, Mut und Zögern, Mondlicht und den Mut,
am nächsten Morgen aufzustehen.

Das hier ist kein Drama und kein Märchen.
Es ist ein Moment. Ein Zwischenraum, in dem alte Wunden atmen dürfen,
damit neue Haut Platz hat, zu entstehen.

Ich teile das nicht, weil ich mich verliere, sondern weil ich mich finde —
geduldig, schichtweise, mit dem Wissen, dass Heilung nicht laut sein muss, um echt zu sein.

Bevor du weiterliest: Ich breche hier nicht — ich bewege mich.
Ich lerne in Echtzeit, Veränderung ist manchmal laut und manchmal leise – aber immer ehrlich.

Das ist kein Drama, sondern Entwicklung.
Und ich nehme dich mit, in diesen Zwischenraum, wo Mut und Zweifel gleichzeitig atmen.

Ich hatte so eine Angst davor, mich darauf einzulassen.
Du warst wirklich einer von den Menschen, die ich am liebsten um mich hatte.
Es war so einfach und unkompliziert.
Ich habe dein Dasein einfach genossen und nie hinterfragt.

Und plötzlich fällt es mir schwer, dich überhaupt anzuschauen.
Im selben Raum zu sein, macht mich nervös und verwirrt,
und ich verstehe nicht, wieso.

Du kennst mich auf eine Weise, wie es nur sehr wenige tun.
Manchmal frage ich mich, ob es richtig war, mich so zu zeigen.
So, wie ich bin, wenn ich niemanden schützen will — auch nicht mich selbst.

Ich habe solche Angst davor, was passieren könnte.
So große Angst, dass ich es gar nicht erst versuchen will. Dass ich mich nicht darauf einlassen kann.
Beim letzten Mal hat es mich so gebrochen, dass ich ehrlich glaube,
ich würde es nicht noch einmal überstehen.

Ich bin wütend auf dich, weil du es aussprechen musstest. So wütend.
Warum konnten wir nicht einfach weitermachen wie davor?
Ich weiß nicht, ob du etwas zerstört hast oder nur eine Tür geöffnet hast, vor der wir beide längst standen,
blind für das, was dahinter wartete.

Ich hasse dich dafür – weil ich dich eigentlich gar nicht hasse.
Und weil du mir immer noch das Gefühl gibst, dass du wartest. Dass ich Zeit habe.

Wie kannst du immer noch warten? Worauf genau?
Und was, wenn es wieder nicht gut endet — was bleibt dann zurück?

Ich weiß, dass ich dir nicht das geben kann, was du dir für deine Zukunft wünschst.
Und vielleicht kannst du mir auch nicht dorthin folgen, wo ich mit mir weitergehe —
nicht ohne dich zu verbiegen und nicht ohne dich von dir selbst zu entfernen.
Und ich will dafür kein kurzes Glück eintauschen, keinen sanften Vorgeschmack auf etwas Schönes,
nur um später schwerer zu fallen, als wir am Anfang leicht waren.

Ich hasse mich dafür – ein bisschen mehr jedes Mal.

Ich kann einfach nicht abschließen mit uns. Mit dir.
Ich komme immer wieder zurück.
Und jedes Mal ärgere ich mich darüber, dass wir uns nicht einfach loslassen können.
Wie stur kann man sein, wie verbissen, wie naiv?

Wir wissen beide, wie sehr wir uns triggern können
und wie schnell alles aus dem Ruder laufen kann.
Und trotzdem habe ich das Gefühl, dass du dir immer wieder Mühe gibst,
immer wieder weitermachst – und deswegen gebe ich auch nicht auf,
obwohl ich so gerne weglaufen würde.

Wir sind so verschieden in so vielem, in unserer Art, in unserer Welt.
Und trotzdem zieht es uns immer wieder zueinander.

Ich bin wütend, dass du mir Zeit gibst und mich warten lässt.
Dass von dir nichts kommt und ich mich fühle wie der Idiot,
der alte Wunden immer wieder aufreißt.

Ich hasse, wie gut du mir trotzdem getan hast.
Und gleichzeitig weiß ich, wie schwer es mit dir ist —
und wie schwer es manchmal auch mit mir ist.

Ich weiß nicht, ob es jemals einfach sein wird.
Ob wir jemals nicht arbeiten müssten.
Ob einem von uns irgendwann die Kraft ausgeht – und wem zuerst.

Ich hasse die Seiten, die du in mir hervorholst.
Dinge, die ich gut versteckt und weggesperrt habe.

Du stellst alles infrage, was ich von mir zeige und was ich mir seit Jahren selbst einrede.

Und trotzdem bist du geblieben. Wir beide sind geblieben.
Normalerweise bin ich am Ende alleine in solchen Geschichten.
Wir sprechen nicht mehr, und doch hält etwas in uns noch fest — leise, aber spürbar.

Ich weiß nicht, ob das ein kranker Witz ist, eine Prüfung oder eine verpasste Chance.
Ich weiß einfach nichts, wenn wir zwei zusammen sind.

Und das macht mir Angst.
Das macht mich wütend.

Es fühlt sich neu an und gleichzeitig vertraut –
wie ein Film, den ich schon gesehen habe, ein Buch, das ich schon gelesen habe.

Und ich kann nicht herausfinden, was das bedeutet.

Es ist, als würdest du mir die Augen schließen und ich fürchte mich vor der Dunkelheit –
und fühle mich trotzdem so gesehen wie selten im Leben.

Ich weiß nicht, ob wir füreinander richtig sind oder uns nur in unserer Vergangenheit spiegeln.
Ob uns etwas Toxisches anzieht und wir diesmal selbst entscheiden müssen,
ob wir den Weg erneut gehen oder endlich weitergehen.

Und am meisten hasse ich, dass ich mir immer wieder wünsche, dass es nicht so ist.
Dass nichts davon negativ ist und dass es diesmal gut wird.
Dass wir richtig sind.
Dass wir zueinander gehören.

Ich hasse die Ungewissheit.
Den Nebel in mir, der mich nichts klar sehen lässt.
Chaos in meinem Kopf und keine Ahnung, wie ich das wieder ordnen soll.

Ich fühle mich, als wäre ich genau das geworden, was mich einmal zerstört hat – eine rote Flagge.
Ich bin jetzt die Böse.

Ich hasse, dass ich dich vermutlich immer mit mir tragen werde. Dass es nie ganz vorbei sein wird.
Dass ich mich immer fragen werde,
was gewesen wäre, wenn wir es einfach versucht hätten.

Ich hasse es, weil ich Ruhe und Sicherheit suche –
und du der Sturm bist, der alles davon fortbläst.

Vielleicht muss ich gar nicht alles sofort verstehen oder abschließen.
Vielleicht geht es gerade darum, dass ich mich neu kennenlerne, dort, wo früher Mauern waren und jetzt ein vorsichtiges Flimmern von Mut entsteht.
Manche Gefühle bleiben in uns, nicht weil wir sie festhalten,
sondern weil sie uns verändern — leise, Schicht für Schicht,

Vielleicht darf Angst hier sein – nicht als Warnung, sondern als Einladung.
Ein leises Zittern vor dem Unbekannten, das nicht droht, sondern Neues öffnet.
Ich muss mich nicht dafür schämen, vorsichtig zu sein. Vorsicht bedeutet nicht Schwäche.
Manchmal bedeutet sie Liebe. Für das, was war. Und für das, was jetzt in mir wächst.

Ich trage das nicht als Last, sondern als Anfang.
Als Erinnerung daran, dass ich fühlen kann, tief und unbeholfen und echt.
Und während ich weiteratme, heilt etwas in mir, ohne Eile, ohne Druck —
ich lerne mich neu kennen an den Stellen, die lange leise waren.

Vielleicht ist das genug: weitergehen, ohne zu greifen, ohne wegzustoßen,
einfach Schritt für Schritt zurück in mich hinein.
Manche Geschichten müssen nicht abgeschlossen sein, um Frieden zu finden.
Manche Dinge in uns dürfen bleiben, bis sie weich werden,
bis sie keinen Schmerz mehr brauchen, um wahr zu sein.

Und wenn das Alte irgendwann leicht wird, werde ich wissen, dass das Zittern nie Angst war,
sondern der erste Atemzug von Freiheit.

Und irgendwann wurde mein Körper wieder Heimat

Vom Hungern, vom Lernen, vom Heilen.

🌱 Triggerhinweis:
In diesem Text geht es um Essstörungen, Körperbild, familiäre Themen und mentale Gesundheit.
Lies bitte achtsam – nur so, wie es sich für dich gut anfühlt.
Wenn du merkst, dass etwas in dir anklopft: atme, pausiere, komm später zurück.
Du bist wichtiger als jeder Text.

Da ich mir inzwischen mein zweites Standbein immer stabiler aufbaue und mich auf diesem Weg immer wohler und sicherer fühle, möchte ich heute zurück an den Ursprung gehen. Denn bevor ich erzählen kann, wie ich hierher gekommen bin, muss ich erzählen, wo alles begann.
Das hier ist meine Geschichte. Meine Reise mit Essstörungen – und mit mir selbst.

Ich möchte die transparenteste und authentischste Version von mir zeigen. Nicht, weil es leicht ist, darüber zu sprechen, sondern weil es ehrlich ist. Und weil es wichtig ist, zu verstehen, warum ich heute tue, was ich tue und warum ich meine Arbeit so gestalte, wie ich sie gestalte. Ernährung war immer ein Thema in meinem Leben, ohne dass ich es wirklich bewusst wahrgenommen hätte. Ich hätte früher nie gedacht, dass ich einmal beruflich damit zu tun haben würde – aber rückblickend ergibt es fast erschreckend viel Sinn.

Meine Beziehung zum Essen war nie einfach und nie geradlinig. Sie hatte keine klaren Startpunkte, eher Schatten, die sich langsam in mein Leben webten. Als Kind war ich „hacklig“, wie man bei uns sagt – vorsichtig mit Neuem, skeptisch gegenüber unbekannten Lebensmitteln. Zum Glück war meine Mutter jemand, der mich nie zwang, den Teller zu leeren oder etwas zu essen, das ich nicht wollte. Dafür bin ich ihr bis heute dankbar. Denn intuitives Essen beginnt dort, wo Druck endet. Und zumindest am Anfang gab es diese Freiheit.

Zu Hause gab es wenig gemeinsame Mahlzeiten am Tisch. Alltag, Stress, jeder für sich. Niemand kontrollierte, ob oder was ich aß. Ich hätte mich theoretisch von Süßigkeiten ernähren können und es wäre niemandem aufgefallen. Und doch aß ich damals „normal“, soweit man das sagen kann, wenn Normalität bei jedem anders aussieht.

Der erste Moment, der sich tief eingebrannt hat, sitzt allerdings am Küchentisch in unserem alten Haus. Und nein – es ging nicht um Essen an sich, sondern um einen Blick. Mein Vater ist Alkoholiker. Ich erinnere mich daran, beim Frühstück zu sitzen und von seinen leeren, kalten Augen fixiert zu werden. Ein Blick, der mich gleichzeitig erstarren ließ und verschluckte. Ein Gefühl von Bedrohung, das ich damals nicht verstand, aber das sich still in mir festsetzte.
Damals wusste ich nicht, was genau ich in diesem Blick sah – nur, dass dahinter etwas Dunkles lauerte. Etwas, das spürte, dass in mir etwas war, das Licht trug. Und manchmal glaube ich, es war genau dieses Licht, das dieser Blick ersticken wollte. Aber diese Geschichte ruht noch – und bekommt ihren Raum an einem anderen Tag.

Meine Mutter arbeitete viel, ich war viel allein, Essen verschwand aus meinem Alltag. Ich spürte keinen Hunger mehr. Vorkochtes Essen landete im Müll. Und theoretisch hätte sich das irgendwann in emotionales Essen verwandeln können, aber das tat es nicht. Ein Grund dafür war meine Schwester. Ihre Kommentare über Körper, „Problemzonen“ und „Schwabbeln“ begleiteten mich täglich. Heute weiß ich, dass das viel über ihre eigene Unsicherheit sagte und wenig über mich. Ich habe ihr verziehen, aber geprägt hat es mich trotzdem.
Worte können zu inneren Spiegeln werden – und manchmal halten sie ein Bild fest, das nie wirklich existiert hat. Bis heute gibt es Tage, an denen ich im Spiegel nicht meinen Körper sehe, sondern den, den sie damals kritisierte. Zu breite Oberschenkel, selbst wenn sie schmal sind. Ein verzerrtes Echo, das sich leise hält, aber bleibt. Bodydysmorphia hat ihre Wurzeln dort geschlagen – tief, still, und hartnäckig.

Ich wollte essen, aber ich hatte Schuldgefühle. Ich wollte zunehmen, aber ich hatte Angst. Und so rutschte ich in den nächsten Abschnitt: Binge-Episoden, Schuld, Erbrechen. Mahlzeit für Mahlzeit. Finger im Hals. Ein Wechsel aus Hunger, Scham und Verzweiflung. Bis zu jener Klassenfahrt, an der ich auf der Toilette ertappt wurde. Bis Gelächter und abfällige Worte durch die Tür drangen. „Wie ekelhaft.“ „Was für ein Freak.“ Nicht ein einziger Mensch sah, dass ich Hilfe brauchte.

Dann kamen Social Media, Idealbilder, vermeintliche Gesundheits-Trends, „Eat clean“, „Balance“, aber nur unter Bedingungen. Ein krankes System, verkleidet als Lifestyle. Und irgendwann kam jemand in mein Leben, der zunächst Freiheit brachte: Genuss, neue Lebensmittel, ein Gefühl von Normalität. Dann kamen Alkohol und Drogen dazu. Und irgendwann fühlte ich nichts mehr – nicht einmal Hunger.

Vier Jahre später war ich ausgebrannt. Leerer als leer. 40 Kilo. Gürtelrose, Entzündungen, Schmerztabletten. Mein Körper schrie. Und zum ersten Mal hörte ich hin. Plötzlich war ich allein. Keine Freunde mehr, kein Halt – nur meine Mutter und ich. Der Wendepunkt.

Ich musste essen neu lernen. Kochen neu lernen. Leben neu lernen.
Und zum ersten Mal hatte ich nicht nur mich. Ich hatte ein kleines, ehrliches Team hinter mir. Meine Mama – die ich jahrelang weggestoßen hatte, und deren Liebe ich erst viel später wieder annehmen konnte. Bis heute tut es weh, wie lange ich sie im Stich gelassen habe.
Und dann kam Luke. Mein Seelenhund. Kein Plan, kein Zufall – sondern ein Wesen, das in genau diesem Moment zu mir fand und seitdem ohne Bedingung, ohne Urteil, einfach da ist. Wer je von einem Tier gerettet wurde, weiß, was ich meine.
Irgendwann, nach Monaten der Isolation, trat auch wieder ein Mensch in mein Leben. Vorsichtig, geduldig. Eine Freundin, die mich zurück ins soziale Leben holte und mir zeigte, dass man Menschen wieder vertrauen kann. Dass Verbindung wieder möglich ist. Dass ich nicht für immer allein sein würde.

Heute akzeptiere ich meinen Körper als mein Zuhause.
Nicht, weil alles perfekt ist – sondern weil er mich durch alles getragen hat.
Ich werde nie wieder versuchen, ihn umzubauen oder zu verlassen, nur um anderen zu gefallen.
Aber Akzeptanz heißt nicht, dass es keine Schatten mehr gibt. Essstörungen verschwinden nicht einfach. Sie verändern Form, sie werden leiser – manchmal flüstern sie. Es gibt Tage, an denen Essen schwer ist, Tage, an denen ich meine Sättigung nicht spüre, Tage, an denen der Spiegel mich an alte Versionen von mir erinnert.
Und genau deshalb gehe ich diesen Weg. Genau deshalb begleite ich Menschen heute in ihrer Beziehung zu Essen und Körper. Nicht von einem perfekten Podest aus – sondern von Mensch zu Mensch. Verletzlich, unperfekt, ohne Urteil. Mit Licht. Mit Geduld. Mit Liebe.
Denn das Ziel ist nicht Perfektion.
Das Ziel ist Frieden.
Das Ziel ist Zuhause-sein im eigenen Körper – auch an den Tagen, an denen es schwer ist.
Wir alle verdienen das.
Und wir alle verdienen es, satt zu sein.
Im Körper. Im Herzen. Im Leben.

Manchmal fühlt sich der eigene Körper an wie ein Ort, an dem man erst wieder ankommen lernen muss.
Wenn du das kennst — dieses leise Ringen, dieses Suchen — dann nur als Erinnerung:
Du musst nicht heute alles verstehen.
Du musst nicht fertig sein, um auf dem richtigen Weg zu sein.

Heilung ist oft kein großer Moment, sondern viele kleine.
Und jeder einzelne zählt.

🌿 Du bist hier – und das ist genug.