Ein leises Lebenszeichen

Sonntag, der 28. Dezember.
Die Tage zwischen den Jahren fühlen sich an wie Watte – gedämpft, langsam, ein bisschen zeitlos.
Ein weiteres Jahr neigt sich dem Ende zu, nicht laut, sondern schleichend.

Zwischen Rauhnachtswünschen, unausgesprochenen Neujahrsvorsätzen und einem letzten Kranksein habe ich mich heute noch einmal vor den PC gesetzt. Um ein kleines Lebenszeichen dazulassen.
Kein großes Update. Kein Fazit. Eher so etwas wie ein leises Klopfen.

Die letzten Wochen waren ruhig. Still auf eine Weise, die man nicht unbedingt geplant hat.
Obwohl ich immer wieder an meinen Blog denken musste, fehlte mir die Bewegung nach innen,
die es fürs Schreiben braucht. Und als sie dann endlich da war – diese lang ersehnte freie Zeit,
diese „Weihnachtsferien“ – beschloss mein Körper, dass jetzt Schluss ist.
Noch ein letztes Mal krank sein. Noch ein letztes Mal innehalten, bevor etwas Neues beginnt.

Dabei hatte ich mir so viel vorgenommen.
Ich wollte kreativ sein, zeichnen, schreiben, Dinge beginnen und Dinge abschließen.
Wollte meine Wohnung neu ordnen, Bücher lesen, alte Seiten noch einmal aufschlagen.
Wollte ins Kino, ins warme Wasser einer Therme, wollte unterwegs sein.
Und nun sitze ich hier. Auf der Couch. Eingewickelt in Decken.
Und merke, wie selbst kleine Dinge plötzlich viel Energie kosten.
Wie Kopfschmerzen selbst dort auftauchen, wo sonst Freude wohnt.

Irgendwo zwischen Ärger – darüber, dass freie Zeit so selten ist und ich sie nun liegend „verbringe“ –
und diesem schweren Kloß im Hals, der sich meldet, wenn das Timing einfach unfair erscheint,
ist mir etwas aufgefallen:
Vielleicht ist das hier kein Stillstand. Vielleicht ist es ein letzter Lernprozess.

Kein dramatischer. Kein lauter.
Eher ein stiller Hinweis.

Denn ich könnte mich weiter darüber ärgern, dass alles anders läuft als geplant.
Oder ich könnte tief durchatmen. Mich zurücklehnen.
Der Situation ihren Raum lassen. Gesünder werde ich dadurch nicht schneller –
aber vielleicht sanfter mit mir selbst.

Der Körper nimmt sich seine Pausen irgendwann selbst, wenn man sie ihm lange genug verwehrt.
Wenn man zu lange über seine Grenzen geht und so tut, als wären Reserven unendlich.

Und wenn sich dieser Schleier aus Frust und Selbstmitleid langsam hebt, wird oft klar:
Vielleicht war es doch wieder ein bisschen zu viel.
Auch wenn es sich zwischendurch nie wirklich schlimm angefühlt hat.
Auch wenn man sich selbst versichert hat, dass man ja eh immer alles schafft.

Vielleicht liegt die eigentliche Botschaft darin, dass im neuen Jahr etwas enden darf.
Dieses ständige Über-sich-hinausgehen. Dieses Sich-Zusammenfalten, damit es für andere bequemer ist. Ich bin sehr beweglich, ja – aber Beweglichkeit ist kein Freifahrtschein, alles zu tragen.

Vielleicht ist es an der Zeit, noch ehrlicher hinzuschauen.
Nicht strenger. Ehrlicher.

Für mich – und für all jene, die sich irgendwo zwischen diesen Zeilen wiederfinden –
dürfen ein paar Dinge nun bewusst in 2025 bleiben:

Manche Dinge dürfen bleiben, wo sie hingehören.
Eigene Standards. Eigene Grenzen. Eigene Prioritäten.
Sie leiser zu drehen – oder ganz wegzustellen – nur damit es für andere bequemer wird?
Wer macht das eigentlich für mich?

Nicht immer offen sein. Nicht ständig verfügbar. Nicht sofort da.
Ständige Erreichbarkeit klingt nach Nähe, fühlt sich aber oft nach Verschwinden an.
Und trotzdem dreht sich die Welt weiter, auch wenn man nicht überall gleichzeitig sein kann.
Andere dürfen lernen, ihre Dinge selbst zu tragen.

Das schlechte Gewissen darf gehen.
Dieses tiefe Bedürfnis, jedes Nein zu erklären, abzufedern, zu rechtfertigen.
Dabei ist Nein ein vollständiger Satz. Und keiner, für den man sich rechtfertigen muss.

Grenzen entstehen nicht aus Kälte.
Sie entstehen dort, wo etwas geschützt werden will.

Nicht alles muss alleine getragen werden, nur weil es möglich wäre.
Verantwortung darf geteilt werden. Lasten dürfen leichter werden.
Stärke zeigt sich nicht im Alleinsein, sondern im Vertrauen, sich halten zu lassen.

Und auch das darf wahr sein:
Manchmal geht es nicht gut.
Es gibt müde Tage. Leise Tage. Schwere Tage.
Ohne Maske. Ohne Funktionieren. Ohne den Anspruch, trotzdem stark zu wirken.

Denn Menschsein ist keine Leistung. Es ist ein Zustand.
Und manchmal reicht es, ihn sich selbst zu erlauben.

Vielleicht ist das gerade genug. Kein großer Neuanfang.
Sondern dieses stille Dazwischen – der Moment zwischen den Jahren,
in dem man innehält und sich selbst wieder zuhört.

Und vielleicht liegt genau hier der Anfang von etwas Neuem.

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