Ich glaube, keiner von uns ist jemals fertig

Ich schreibe viel. Vielleicht, weil Worte meine Art sind, das Leben zu verstehen.
Und obwohl ich schon so viele Gedanken geteilt habe, erwischt mich das Leben immer wieder auf frischer Tat – mitten im Lernen, mitten im Fühlen, mitten im Sein.
Kein Mensch bereitet dich darauf vor, wie still und gleichzeitig überwältigend es sein kann, wenn Heilung plötzlich Gestalt annimmt – nicht als großes Feuerwerk, sondern als leises Ziehen irgendwo zwischen Herz und Verstand.
Also schreibe ich einfach weiter – nicht, um zu erklären, sondern um mich selbst dabei zu ertappen, wie ich Stück für Stück verstehe.

Keiner warnt einen vor den positiven Nebenwirkungen und Lernprozessen der Selbstheilung und Selbstverwirklichung – also mache ich jetzt einfach mal den Anfang.
Ich darf gerade am eigenen Leib sehen und fühlen, dass man nicht nur durch negative Erfahrungen lernt und wächst – sondern manchmal sogar noch mehr durch die positiven.

Was dir niemand sagt, ist, dass sich die richtigen und vor allem gesunden Entscheidungen auf dem Weg des Loslassens alter Muster oft seltsam und falsch anfühlen können.
Grenzen zu setzen – selbst in einem liebevollen Umfeld, bei Menschen, die uns sehr am Herzen liegen – fühlt sich schon beim Aufschreiben irgendwie falsch an.
Denn die eigentliche Herausforderung liegt diesmal nicht im Grenzen setzen selbst, sondern darin, das schlechte Gewissen beiseitezulegen und alte Erfahrungen loszulassen, die uns dabei im Weg stehen.

In solchen Momenten geht es nicht um Rechtfertigung oder Entschuldigung, nicht darum, Vorwürfen auszuweichen oder sich auf Manipulationsversuche vorzubereiten.
Nein – die einzige Lektion, die wir hier lernen dürfen, ist:
Es ist absolut okay, Grenzen für sich selbst zu setzen.
Es ist kein Verbrechen, einmal Nein zu sagen. Und es macht dich nicht zu einem schlechten Menschen, wenn du dich selbst priorisierst – anstatt, wie gewohnt, immer zuerst für andere da zu sein.

Die richtigen Menschen um dich herum werden dich weiterhin lieben – gerade weil du dich nicht mehr ständig verbiegst, um es allen recht zu machen.
Sie werden dich unterstützen, dir Kraft geben und dich darin bestärken, deine eigenen Prioritäten zu schätzen und für dich selbst einzustehen.
Gemeinsam werdet ihr selbst die kleinsten Erfolge feiern und Raum schaffen – für ehrliche Kommunikation und gegenseitige Reflexion.

Denn wir alle leben zum ersten Mal. Und keiner von uns ist perfekt.
Wir lernen miteinander – und manchmal auch durcheinander.
(zumindest im richtigen Umfeld.)

Und genau das ist vielleicht die wichtigste Lektion auf dem Weg zu uns selbst.

Manchmal gehört dazu auch, zu akzeptieren, dass man nicht mit allen Menschen dauerhaft in Kontakt bleibt.
Oft trifft es genau jene, die uns am meisten inspiriert haben, oder die sich am schnellsten in unser Herz geschlichen haben.
Menschen, die das Universum uns wie kleine Geschenke auf den Weg legt – nicht, um dauerhaft zu bleiben, sondern um uns kurze Lichtmomente zu schenken. Erinnerungen, an denen wir uns an dunklen Tagen wärmen dürfen – als kleine Hoffnungsschimmer, nie aufzugeben.

Für mich war das eine der schwersten Lektionen – besonders in diesem Jahr.
Ich habe so viele wundervolle Menschen kennengelernt, oder durfte manchen, die ich schon kannte, näherkommen.
Und doch musste ich lernen: Egal, wie besonders sich eine Verbindung anfühlt – manche Menschen sind einfach nicht dafür bestimmt zu bleiben.

Und das braucht keinen Auslöser, keinen Streit, keinen Abschied.
Manchmal gibt es einfach zwei Leben, die nebeneinander weiterlaufen, ohne sich dauerhaft zu kreuzen – wie Parallelen, die sich nie treffen sollen, aber immer nah beieinander bleiben.

Früher hatte ich deswegen oft ein schlechtes Gewissen.
Ich fragte mich:
Warum schaffe ich es nicht, den Kontakt zu halten, obwohl ich es so sehr will?
Liegt es an mir? Bin ich das Problem?
Sind meine Hände dazu bestimmt, Menschen loszulassen, statt sie zu halten?

Stopp.
Die Selbstsabotage hat wieder angeklopft.
Doch diesmal bin ich ihr nicht mit Angst begegnet – sondern mit Ruhe.
Wie einem alten Freund, der mich nur daran erinnert, dass die Entscheidung, wie ich reagiere, immer schon meine war.
Und genau das war der Schlüssel, um weiterzuwachsen.

Heute sehe ich es anders.
Ich erkenne die Schönheit in diesen Begegnungen.
Anstatt nur das „Verlassen“ zu sehen, richte ich meinen Blick auf das Geschenk dahinter.
Ich habe gelernt, die Momente im Hier und Jetzt zu genießen, Menschen zu schätzen, solange sie da sind, und meine Gefühle ehrlich zu zeigen, ohne sie zweimal zu überdenken.
Ich springe über meinen Schatten, lasse mich auf spontane Augenblicke ein – und genieße sie mit offenem Herzen.

Ich trage meine Sternschnuppenmenschen für immer in mir – ein Mosaik aus all den bunten Seelen, die meinen Weg gekreuzt haben.
Wie schön ist der Gedanke, dass sich zwei Welten kurz berühren dürfen – nicht für ein gemeinsames Kapitel, sondern für eine Zwischengeschichte.
Vielleicht waren es Begegnungen aus einem anderen Leben, ein versprochenes Wiedersehen – zeitlos, grenzenlos, schön.

Und für alle, die jetzt den Kopf schütteln:
Ja, Gedanken und Emotionen dürfen so tief gehen.
Man darf die Welt ruhig außerhalb des Fernglases betrachten – und sie sich in mehr als drei Farben ausmalen.
Denn Magie stirbt nie, solange wir sie selbst sind.

Ich glaube, keiner von uns ist jemals „fertig“.
Wir lernen, verlernen, stolpern und stehen wieder auf – und manchmal vergessen wir dabei, wie weit wir eigentlich schon gekommen sind.
Es ist okay, tief zu fühlen, zu zweifeln, zurückzugehen, nur um den Blick wieder mit dem Herzen auszurichten.
Denn genau dort, zwischen Stillstand und Neubeginn, zeigt sich oft das Schönste:
ein kurzer Moment des Erkennens, dass das Leben schon längst schön ist –
auch mit all seinen Falten, Fragen und unvollendeten Kapiteln. 🌿

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